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Legal war es nicht, aber erfolgreich. Als ein Hobby-Metallsucher vor einigen Jahren im Wallis mit seinem Detektor unterwegs war, entdeckte er unweit des Genfersees rund 200 Metallobjekte – unter anderem Münzen, Werkzeuge und Pfeilspitzen für Armbrust und Pfeilbogen. Die nötige kantonale Bewilligung für den Einsatz seines Detektors hatte der Metallsucher nicht. Er war sich aber der Bedeutung der Fundstücke offensichtlich bewusst und übergab sie der Walliser Kantonsarchäologie. Diese wiederum zeigte die Funde Eckhard Deschler-Erb, Titularprofessor für Prähistorische Archäologie an der UZH.
Im Rahmen einer Lehrveranstaltung liess Deschler-Erb Studierende die Fundstücke wissenschaftlich erfassen und bestimmen. Sie verglichen die Funde mit bekannten Fundstücken, um mehr über ihre Herkunft und ihr Alter zu erfahren.
Bald zeigte sich, dass die hochinteressanten Fundgegenstände auch eine genauere Analyse der bisher unbekannten Fundstelle wert sind. Alexandra Winkler, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Archäologie, reiste mit zehn Studierenden ins Wallis – finanziell unterstützt von der Nägeli-Stiftung.
Das Team untersuchte das Fundgebiet, das etwa eine Hektare Wald rund um einen Felssporn in der Gemeinde Vionnaz umfasst. Ziel war es, Reste einer möglichen Besiedlung und zusätzliche Hinweise auf das Alter der Metallgegenstände zu finden. Das Team legte ein Vermessungsnetz an und nahm Bohrungen vor. Dabei fanden sie unter anderem Siedlungsterrassen und die Reste eines Befestigungsturmes.
Die weitere Analyse datierte die gefundenen Gegenstände aus der langen Zeitspanne zwischen dem 6. Jahrhundert vor Christus und dem 14. Jahrhundert. Es ist der Zeitraum der Besiedlung des heutigen Wallis durch Kelten über die römische Epoche, die Völkerwanderungszeit und das Königreich Hochburgund bis zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.
Die Funde zeigen, dass im Wallis mehr kriegerische Auseinandersetzungen als bisher vermutet ausgetragen wurden. Das Gebiet um den Felssporn wurde offensichtlich während 1100 Jahren von der Zivilbevölkerung immer wieder als Fluchtort genutzt. Die Burg war auch belagert worden, wie Pfeilspitzen zeigen, die in den Mauerresten des Turmes steckten.
Am spannendsten sind für Eckhard Deschler-Erb die gefundenen Pfeilspitzen, die aus dem 10. Jahrhundert und offensichtlich aus Ungarn stammen. Dass die Magyaren in jener Zeit auf ihren Raubzügen ins Burgunderreich auch die Schweiz durchquerten, war bekannt – nicht aber, dass sie auch das Wallis passierten.
Archäologisch besonders interessant sind auch die Metallteile einer Axt, eine Pflugschar, eine Halsfessel für Sklaven und andere Gegenstände, die offensichtlich in spätrömischer Zeit an einer Wegkreuzung vergraben wurden. Die Gegenstände waren wohl in einer Kiste untergebracht, wovon Teile eines Schlosses und ein Schlüssel zeugen – die Kiste eines Handwerkers vermutlich. Eine solche Ansammlung von zur damaligen Zeit besonders wertvollen Gegenständen bezeichnen Archäologen als Schatzfund oder Hortfund.
Inzwischen befinden sich die mehr als 200 neu entdeckten Metallobjekte im Archiv des Geschichtsmuseums Sitten. «Das Material würde sich gut für eine Ausstellung eignen», sagt Deschler-Erb. Dass sein Team gerade jetzt einen Beitrag leisten konnte zur Erhellung der Walliser Geschichte, freut ihn doppelt, weil der Kanton 2015 seine 200-jährige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft feiert. Im Herbst wird Deschler-Erb gemeinsam mit den Studierenden die Erkenntnisse aus den Funden in einer Publikation veröffentlichen.