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Japan, Holland und die skandinavischen Länder gehörten zu den Vorreitern der Entwicklung: Sie begannen in den 1990er Jahren, der Weltbank Geld für die Entwicklungszusammenarbeit unter Auflagen zur Verfügung zu stellen – es sollte etwa für bisher vernachlässigte Themen wie «fragile Staaten» oder Bildung eingesetzt werden.
Eine solche Zweckbindung war neu. Zuvor finanzierten die Staaten die allgemeinen Budgets von Organisationen wie der UNO. Heute sprechen sie ihre Gelder immer häufiger für spezifische Themen, Länder oder Regionen.
«Machten etwa beim UN-Entwicklungsprogramm oder beim UN-Umweltprogramm auf diese Weise gebundene Gelder Mitte der 1990er Jahre noch rund 20 Prozent aus, so sind es heute rund 80 Prozent», sagt Bernhard Reinsberg, Doktorand am Institut für Politikwissenschaft. Er untersucht den Wandel der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des interdisziplinären Projektes «The Proliferation of Multilateral Funds» (vgl. Kasten).
Um noch mehr Einfluss darüber zu gewinnen, wie die Gelder verwendet werden, riefen die Geberländer sogar zunehmend eigene Treuhandfonds und Programme ins Leben – etwa den «Global Funds» gegen Aids, Tuberkulose und Malaria oder die «Global Environment Facility». Nun konnten beziehungsweise mussten sich auch UN-Organisationen für ihre Projekte dort um Gelder bewerben. «Damit verändert sich die Logik des Systems grundlegend», sagt Bernhard Reinsberg: «Die multilateralen Organisationen werden selber zu Bittstellern der globalen Funds.»
Wie kam es zu dieser Entwicklung? Für Reinsberg hat das Ende des Kalten Krieges für eine neue Unübersichtlichkeit in der Entwicklungszusammenarbeit gesorgt. Die blockspezifische Unterstützung von Freund und Feind des Kommunismus erübrigte sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Interessen der Staaten wurden heterogener. Entsprechend schwieriger wurde die Konsensfindung in den Entscheidungsgremien von multilateralen Organisationen wie der UNO.
Das Geld selber in die Hand zu nehmen und zu verteilen, schien da für die Geberstaaten einfacher. Vor allem aber konnten sie so direkter bestimmen, was mit ihrem Geld zu geschehen habe. «Insbesondere kleine Länder können so ihre geringe Stimmkraft in multilateralen Organisationen ausgleichen», so Reinsberg.
Einen weiteren Grund, das Geld über neue Kanäle zu verteilen, sieht der Politikwissenschaftler darin, dass viele Staaten multinationalen Organisationen seit den 1990er Jahren zunehmend Ineffizienz vorwarfen. Schaffen sie nun eigene Funds, können sie auch ihre eigenen Vorstellungen von Effizienz durchsetzen.
«Das hat auch funktioniert», sagt Reinsberg: «Viele multinationale Organisationen arbeiten heute effizienter und transparenter, nicht zuletzt aufgrund des Drucks, den die neuen Funds ausüben.» Dies habe beispielsweise dazu geführt, dass UN-Organisationen heute mehr kooperieren anstatt sich zu konkurrenzieren. Dafür sorgen vor allem so genannte «OneUN funds», unter denen sich die in einem Land präsenten UN-Organisationen zusammenschliessen und absprechen.
Die bestehenden multinationalen Organisationen erkannten, dass sie dem Wunsch der Länder, ihre Mittel zweckspezifisch einsetzen zu können, entgegenkommen mussten. Es lag nahe, ebenfalls eigene Funds zu gründen – rund 700 existieren heute allein innerhalb der Weltbank.
Der Wettbewerb um die Gelder der Entwicklungszusammenarbeit geht also weiter – mit Funds innerhalb und ausserhalb von multinationalen Organisationen. Reinsberg erachtet die Funds durchaus als sinnvolle Bereicherung. Erfolgreiche Beispiele im Sinne einer effektiven Geldverwendung seien etwa der «Global Fund» und die «Global Partnership for Education».
Für Reinsberg sind diese Funds auch mit gewissen Gefahren verbunden. Sie machen den Markt der Entwicklungszusammenarbeit noch unübersichtlicher. In gewissen Fällen verbessern sie zwar die Koordination unter Geberländern. In der Mehrheit der Fälle aber wird ein Fund von nur einem Staat ins Leben gerufen. Es fehlt dann die multilaterale Koordination.
Zusammen mit den Funds entstehen auch zusätzliche Finanzierungskanäle und Steuerungsstrukturen. Es stellt sich die Frage, wie effizient dies ist. Dass die einzelnen Projekte vor lauter Reporting an die verschiedenen Geldgeber kaum noch ihre Arbeit machen können, sei nicht der Sinn der Sache, so Reinsberg. Eine Harmonisierung etwa der Berichterstattung sei daher angezeigt. Das Problem sei erkannt. Insbesondere die OECD bemühe sich, Lösungen dafür zu finden.