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Die Zeit der Soldatenkaiser (235 bis 284 n. Chr.) wird in der Geschichtsschreibung häufig als Tiefpunkt der römischen Geschichte dargestellt. Die wiedererstarkten Perser bedrohten das römische Reich ebenso wie die Alemannen und die neu hinzugekommenen Goten. Dem Druck von aussen konnte das innerlich zerrissene Imperium nur mit Mühe standhalten. Die Pest bedrohte die Menschen, und die Christen wurden für die ganze Misere verantwortlich gemacht. Es kam zu massiven Christenverfolgungen.
Bislang entstammten die meisten Kaiser der Oberschicht. Doch in der Zeit der Soldatenkaiser übernahmen Armeeangehörige das Kaiseramt. Die ständigen Auseinandersetzungen an den Grenzen und im Inneren brachten eine Reihe von kurz regierenden Soldatenkaisern hervor, die oft von ihren eigenen Anhängern ermordet wurden. Immer mehr Kaiser und Gegenkaiser spalteten das Reich.
Liest man sich in die Geschichte dieser Zeit ein, so erhält man den Eindruck eines atemlosen Machtkampfes und einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft. Eine Zeit voller Krisen also. Das spiegelt sich in den geschichtlichen Quellen wieder, die dünner gesät sind als in der Zeit zuvor, was auch zu dem Bild der «dunklen» Zeit beigetragen hat.
Doch herrschte zur Zeit der Soldatenkaiser in Rom tatsächlich das reine Chaos? War die Epoche wirklich eine Zäsur – wie die Geschichtsschreibung des 19. und auch noch des 20. Jahrhundert glaubte? Diese Frage interessiert Ulrike Babusiaux, Professorin für Römisches Recht, und Geschichtsprofessorin Anne Kolb. Die beiden Professorinnen haben zusammen eine Tagung zu diesem Thema organisiert, welche diese Woche Experten aus der Rechts- und Geschichtswissenschaft aus Eruopa und Amerika zusammenführt, um die Zeit der Soldatenkaiser aus Sicht beider Disziplinen zu beleuchten.
Sie wollen dabei der Frage nachgehen, inwieweit die Krise in der Zeit der Soldatenkaiser die Rechtsentwicklung beeinflusste. Denn entgegen dem Bild der düsteren Zeit deuten die schriftlich überlieferten juristischen Quellen jener Epoche auf eine Kontinuität in der Rechtsprechung hin, die gar nicht so recht zu den chaotischen Verhältnissen passen will, sagt Babusiaux. Historikerin Kolb bestätigt: «Diese Epoche war kein Bruch in der Geschichte, wie lange zuvor behauptet wurde, sondern ist als eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Vorgeschichte zu betrachten. Allerdings fanden zwangsläufig Anpassungen an die schwierige Situation des Reiches statt.»
Die Wissenschaftlerinnen wollen unter anderem die Frage klären, ob das Privatrecht der Epoche inhaltliche Besonderheiten aufwies. «Die Rechtsbegründungen der Soldatenkaiser zeigen eine grosse Übereinstimmung mit dem klassischen Recht», erklärt Ulrike Babusiaux. Allerdings sei die Praxis der kaiserlichen Kanzlei am Höhepunkt der Krise (260 n. Chr.) nahezu zusammengebrochen. Sie habe sich aber dann zum Ende des 3. Jahrhunderts hin wieder erholt.
Zu untersuchen bleibe auch, inwieweit sich das Recht materiell schleichend veränderte. Klar ist, dass es in der Zeit der Soldatenkaiser keine absolute Rechtsunsicherheit gab.
Wichtig sei es, einen vorurteilslosen Blick auf die Zeit zu werfen und dabei das Wissen von Rechtswissenschaftlern und Historikern zu bündeln, meint Kolb. Ulrike Babusiaux und Anne Kolb freuen sich auf den wissenschaftlichen Austausch und die vielfältigen Themen, die von der Gesetzgebung des Kaisers Decius, über die Steuerregie in Ägypten bis zu der Thematik der Soldatentestamente reichen. In einer Abschlussdiskussion am kommenden Freitag werden die Ergebnisse zusammengetragen.