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Öffentliche Medien sehen sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, private Medien im Markt zu bedrängen oder gar zu verdrängen. Diese «crowding-out»-These gewinnt an Bedeutung, da im Onlinebereich zahlreiche Informationsangebote um Aufmerksamkeit und zahlende Abonnentinnen und Abonnenten konkurrieren. In der diesjährigen Ausgabe des Jahrbuchs Qualität der Medien hat das fög diese These anhand der Daten einer standardisierten, repräsentativen Befragung überprüft, die im Rahmen des Reuters Institute Digital News Report 2024 der University of Oxford für die Deutschschweiz und die Suisse romande durchgeführt wurde.
Die Auswertung der Daten zeigt, dass SRG-Nutzerinnen und -Nutzer offline sowie online häufiger Abonnementmedien (61%) konsumieren als Personen, die keine Informationsangebote der SRG nutzen (38%). Auch Pendler- und Boulevardmedien werden kanalübergreifend von SRG-Nutzerinnen und -Nutzern häufiger konsumiert (75%) als von Nichtnutzerinnen und -Nutzern (58%).
«Die Schweizer Bevölkerung nutzt also die Informationsangebote von SRF und RTS mehrheitlich nicht exklusiv, sondern ergänzend zu jenen der privaten Informationsanbieter», erklärt Mark Eisenegger, Direktor des fög. Dies gelte auch für den Onlinebereich. Nur rund 4% aller Befragten konsumieren ausschliesslich Onlinenews der SRG. Das ist deutlich weniger als der Anteil der Befragten, der online ausschliesslich Pendler- und Boulevardmedien (26%) oder ausschliesslich Abonnementmedien (8%) nutzt.
Ein statistischer Zusammenhang zwischen der Nutzung bestimmter Medientypen und der Zahlungsbereitschaft wurde nicht festgestellt. «Ob für Onlinenachrichten bezahlt wird oder nicht, hängt vielmehr mit den Einstellungen und soziodemografischen Merkmalen der Befragten zusammen», so Eisenegger. «Männer und jüngere Menschen zahlen eher. Und wer sich stark für Nachrichten und Politik interessiert, ist eher bereit, Geld für digitale Nachrichtenangebote auszugeben.»
Eine weitere Studie im Jahrbuch zeigt, dass die Bevölkerung dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus nach wie vor skeptisch gegenübersteht – und dies in einer Zeit, in der Schweizer Medienhäuser KI mittlerweile in vielen Bereichen einsetzen. Fast drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer schätzen die Risiken von KI im Journalismus als hoch ein, höher als in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Politik oder Militär. Dabei gilt: Je mehr KI direkt in den journalistischen Output eingreift, etwa in die Text- oder Bildproduktion, desto grösser ist die Skepsis. Der Einsatz von KI für Übersetzungen, Datenanalysen oder Recherchen wird hingegen mehrheitlich befürwortet. Viele Befragte erwarten von den Medien Transparenz beim Einsatz von KI und wünschen sich eine detaillierte Offenlegung für sämtliche Beiträge und Arbeitsschritte, bei denen KI eingesetzt wurde. Nur eine Minderheit der Befragten (21%) findet, dass die Schweizer Medien verantwortungsvoll mit KI umgehen.
Zusätzliche Langzeitanalysen im Jahrbuch zeigen: Die Qualität vieler Schweizer Medien ist insgesamt immer noch gut, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen hat. «Die Schweizer Medien haben kein Qualitäts-, sondern ein Reichweitenproblem, denn immer mehr Schweizerinnen und Schweizer konsumieren wenig oder gar keine Nachrichten», stellt Eisenegger fest. Der Anteil der sogenannten News-Deprivierten, also der mit Nachrichten unterversorgten Personen, liegt 2024 bei 46% (+3 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr).
Zudem bleibt die finanzielle Lage im Journalismus angespannt. Eine Folge ist die zunehmende inhaltliche Medienkonzentration, d.h. die Mehrfachverwertung identischer Medienbeiträge. In der Regionalberichterstattung, die davon bisher weitgehend verschont geblieben war, nahm die Mehrfachverwertung in verschiedenen Medien im Vergleich zum Vorjahr erstmals stark zu. Da es auf regionaler und lokaler Ebene oft nur wenige tagesaktuelle Informationsangebote gibt, wäre ein weiterer Verlust an Vielfalt problematisch.
Die Analysen des Jahrbuchs 2024 zeigen, wie stark der Journalismus durch den digitalen Wandel und den Rückgang traditioneller Einnahmequellen unter Druck ist. Das Konkurrenzdenken zwischen privaten und öffentlichen Nachrichtenmedien erweist sich aber als unbegründet. «Der Druck auf die Schweizer Newsmedien kommt vor allem von aussen, nämlich von den globalen Tech-Plattformen, die einen Grossteil der Onlinewerbeerträge abschöpfen», sagt Eisenegger. «Vor diesem Hintergrund sollten die Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Medien ausgebaut werden.» Diese könne die Position des Schweizer Mediensystems gegenüber den Tech-Plattformen und neuerdings auch den KI-Anbietern stärken und die Entwicklung von Innovationen für die ganze Branche fördern.
Das Jahrbuch Qualität der Medien 2024 und die Vertiefungsstudien sind hier erhältlich:Jahrbuch Qualität der Medien 2024 (PDF, 2 MB)
Zusammenfassung der Hauptbefunde (PDF, 656 KB)