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Ausstellung

Ritualkostüme aus Sri Lanka als Anlass für Begegnungen und Reflexion

In der Ausstellung «Maskenspiel?» zeigt das Völkerkundemuseum der Universität Zürich neu erworbene Masken, Kostüme und Ritualgegenstände aus Sri Lanka. Einst eingebunden in Heilrituale und rituelle Tänze, waren solche Objekte bis 1947 auch Teil der Zürcher «Völkerschauen», an denen man «Teufelstänzer aus Ceylon» auftreten liess. Die Ausstellung möchte Raum für Dialog und Begegnungen schaffen und die eigene Geschichte kritisch hinterfragen.
Masken und weitere Kostümbestandteile aus der Sammlung von Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey. Die heutigen Museumsobjekte waren einst Ritualausstattung. Sie waren eingebettet in die zwei bedeutenden Ritualzyklen Sri Lankas: Kolam-Spiel und Heil- oder Bannungsrituale (Tovil). Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und im Ariyarathna Antik Shop, Region Ambalangoda, 1980er–1990er. (Foto: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)

Die Sammlung des deutschen Ethnologenpaars Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey umfasst mehr als 700 Objekte – Ritualmasken und weitere Kostümteile sowie Ritualgegenstände aus Sri Lanka, gesammelt über zwei Jahrzehnte (1984 bis 2006). Sie wurde erst vor kurzem angekauft, was in der Ausstellung gewollt erkennbar ist: Viele Objekte liegen noch in Kisten, die sich im hinteren Teil des Ausstellungsraums stapeln. Zu bestimmten Zeiten gehen auch während der Öffnungszeiten der Ausstellung die Restaurierenden, die Registrarin und die Kuratorin ihrer Arbeit nach: Auspacken, Sichten, Erfassen, Konservieren, Verpacken und Ausstellen.

«Maskenspiel? 5 Fragen an Ritualkostüme aus Sri Lanka» ist die vierte Ausstellung der Werkstattreihe im Völkerkundemuseum UZH – eine Reihe, die Fragen aufwirft und den Prozess der Forschung erlebbar macht. So wird sich die Ausstellung bis im September 2024 erweitern und verändern. Der Grundgedanke aber bleibt: Bei Begegnungen mit vermeintlich «Anderen» treffen immer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen aufeinander, die ihr spezifisches Wissen und Können mitbringen. Entsprechend bieten diese Begegnungen die Chance für Vielstimmigkeit und Erfahrungsaustausch – wenn die Beteiligten richtig hinsehen und sich bewusst zuhören. Die Ausstellung versteht sich denn auch als Einladung dazu. Sie thematisiert solches Aufeinandertreffen in drei verschiedenen Epochen.

1984 bis 2006: Das Entstehen einer Sammlung in Sri Lanka

Im Zentrum steht die intensive ethnologische Forschung von Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey zu Heilritualen und Kolam-Tänzen in der Region von Ambalangoda an der Südwestküste Sri Lankas. Von 1984 bis 2006 erforschte und dokumentierte das Ethnologenpaar zusammen mit singhalesischen Ritualspezialisten wie Bandu Wijesooriya oder Karolis Gurunnanse (Meister Karolis) rituelle Praxis – performative Handlungen, die spirituelle, politische und soziale Anliegen vereinen und dabei auch Unterhaltung bieten. Über die Jahre wurden so dauerhafte, von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägte Beziehungen geknüpft. Dabei entstand eine umfangreiche Sammlung aus geschenkten und gekauften Objekten, die das Völkerkundemuseum der Universität Zürich 2022 dank Mitteln des Investitionskredits der UZH ankaufen konnte.

1885 bis 1947: Zürcher «Völkerschauen» mit Menschen aus «Ceylon»

Knapp 100 Jahre früher zeigte der umtriebige Geschäftsmann Carl Hagenbeck, der sich auf «Völkerschauen» spezialisiert hatte, zum ersten Mal in der Schweiz seine «anthropologisch-zoologische Singhalesen-Ausstellung». 1885 wurden den Schaulustigen 51 Personen aus dem damaligen «Ceylon» sowie zwölf Elefanten und acht Zebus vorgeführt. Auf das authentische Darstellen einer real existierenden Kultur wurde wenig Wert gelegt; auf ein einträgliches Spektakel umso mehr. Ob die Menschen aus Sri Lanka damals freiwillig nach Europa kamen, ihre Auftritte mitbestimmen konnten und was sie über das Zürcher Publikum dachten – darüber ist kaum etwas bekannt. Ebenfalls ungewiss ist, ob das hiesige Publikum die «Fremden» als zeitgleich lebende Individuen begriff.

Insgesamt mindestens sechsmal waren in Zürich Personen aus Sri Lanka zu sehen – zum letzten Mal 1947 beim Circus Knie auf dem Sechseläutenplatz. Diese «Völkerschauen» sind ein unrühmliches Kapitel der Zürcher Stadtgeschichte und der Schweizer Vergangenheit, dessen Aufarbeitung erst begonnen hat. Mit der Ausstellung «Maskenspiel?» wird Raum geschaffen, um die Thematik aufzugreifen und endlich darüber ins Gespräch zu kommen.

Die Pali-Charaktere sind im Sanni Yakuma, einem Heil- und Bannungsritual, die Vorläufer und Begleiter der Sanni-Dämonen. Auch ihnen sind dämonische Wesenszüge zu eigen. Gleichzeitig befreien sie Kranke vor körperlichen und geistigen Verunreinigungen. Thembili Paliya (links) zum Beispiel säubert den Ritualplatz mit dem reinen Wasser der Königskokosnuss. Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und in Antik Shops, Region Ambalangoda, 1980er–1990. (Foto: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)

Ab 2023: Die Sammlung als Anlass für Begegnung und Reflexion

Das Völkerkundemuseum nimmt die neu erworbene Sammlung Mey Wischkowski zum Anlass, aus dem Blickwinkel von Zeitgenossenschaft Vergangenheit zu reflektieren, Gegenwart zu gestalten und Zukunft auszuloten. «Zur Zeit der «Völkerschauen» nahmen viele Ethnologische Museen in Europa Masken und Ritualobjekte aus Sri Lanka auf. Die Karteikarten aber blieben weitgehend leer», sagt Kuratorin Martina Wernsdörfer, die am Völkerkundemuseum UZH für Asien zuständig ist. «Dank der Sammlung Mey Wischkowski rücken nun auch solche Objekte anders in den Blick, werden anders interpretierbar.» Ein bislang kaum adressiertes Thema ist dabei die indigene Kritik, die gerade in den Kolam-Tänzen formuliert wurde: Menschen in Sri Lanka hatten ihre eigenen Sichtweisen auf koloniales Gehabe und stellten auch Kolonialherren in ihren Auftritten dar. Glücklicherweise wurden die Masken, die Kolonialherren repräsentierten, als «exotisch» empfunden und gesammelt.

«Die Ausstellung «Maskenspiel?» versteht sich als Auftakt für ein gemeinsames Betrachten, Forschen, Nachdenken, Fragenstellen und Wissenteilen», sagt Wernsdörfer. Wie und wohin sich die Ausstellung während ihrer Laufzeit entwickeln wird, wird sich daraus ergeben, wer mit wem ins Gespräch kommt. «Sie alle sind eingeladen, teilzuhaben und den Werkstattgedanken weiterzutragen.»

 

Weiterführende Informationen

«Maskenspiel? 5 Fragen an Ritualkostüme aus Sri Lanka»

Ausstellung im Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstr. 40, 8001 Zürich
14. Juli 2023 bis 15. September 2024
Di, Mi, Fr 10–17, Do 10–19, Sa 14–17, So 11–17 Uhr

Am 13. Juli 2023, 18 Uhr Eröffnung der Ausstellung am Völkerkundemuseum UZH
musethno.uzh.ch/de/maskenspiel

Werkstattreihe

«Maskenspiel?» ist die vierte Ausstellung der Werkstatt-Reihe, die den Forschungsprozess an jeweils einer bestimmten Sammlung aufzeigt und sich dabei an fünf Leitfragen zu den Stichworten «Provenienz», «Kontext», «Könnerschaft», «Zeitgenossenschaft» und «Rückbindung» orientiert. Das Völkerkundemuseum möchte so einen Beitrag leisten zur aktuellen Debatte um Provenienz und Dekolonisierung.

Download Bilder

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    Sammlung Mey Wischkowski: Masken und weitere Kostümbestandteile aus der Sammlung von Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey. Die heutigen Museumsobjekte waren einst Ritualausstattung. Sie waren eingebettet in die zwei bedeutenden Ritualzyklen Sri Lankas: Kolam-Spiel und Heil- oder Bannungsrituale (Tovil). Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und im Ariyarathna Antik Shop, Region Ambalangoda, 1980er–1990er. Sammlung Mey Wischkowski: Masken und weitere Kostümbestandteile aus der Sammlung von Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey. Die heutigen Museumsobjekte waren einst Ritualausstattung. Sie waren eingebettet in die zwei bedeutenden Ritualzyklen Sri Lankas: Kolam-Spiel und Heil- oder Bannungsrituale (Tovil). Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und im Ariyarathna Antik Shop, Region Ambalangoda, 1980er–1990er. (Bild: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)
  • Pali-Masken
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    Pali-Masken: Die Pali-Charaktere sind im Sanni Yakuma, einem Heil- und Bannungsritual, die Vorläufer und Begleiter der Sanni-Dämonen. Auch ihnen sind dämonische Wesenszüge zu eigen. Gleichzeitig befreien sie Kranke vor körperlichen und geistigen Verunreinigungen. Thembili Paliya (links) zum Beispiel säubert den Ritualplatz mit dem reinen Wasser der Königskokosnuss. Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und in Antik Shops, Region Ambalangoda, 1980er–1990. (Bild: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)
  • Kolam-Maske
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    Kolam-Maske: Naga Raksha Maske aus dem ehemaligen Besitz des Ritualspezialisten und Kolam-Meisters Bandu Wijesooriya. In Sri Lanka treten Naga Raksha («Schlangen-Dämonen») im Kolam-Spiel auf. Ihre Aufgabe ist es, unheilsame Einflüsse von der Welt der Menschen fernzuhalten. Provenienz: Geschenk von Bandu Wijesooriya an Wolfgang Mey, Ambalangoda, 1990. (Bild: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)
  • Sanni-Masken
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    Sanni-Masken: Solche Masken hatten ihren Auftritt ursprünglich im Sanni Yakuma, einem wichtigen Heil- und Bannungsritual. Sie stellen dämonische Kräfte dar, die Menschen dann befallen, wenn sie sich in einem körperlichen und/oder geistigen Ungleichgewicht befinden. So verursacht Kora Sanniya (Mitte links) Lähmungen und Kana Sanniya (unten rechts) Blindheit. Provenienz: Erwerb von Ritualmeistern und in Antik Shops, Region Ambalangoda, 1980er–2000er. (Bild: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH.)
  • Ritualkostüm
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    Kostüm des Gurula Raksha: Gurula der «Adler» ist einer der insgesamt 24 Raksha («schutzbringende Dämonen»). Durch seinen Auftritt im Kolam-Spiel hält er Unheil von den Menschen fern und schützt den Buddha, seine Lehre und seine Gemeinde. Er trägt ein mehrteiliges Kostüm, bestehend aus Bluse, Dreistufenrock, schwarzer Hose, einem Paar Fesselbündchen, einer weissen Bauchbinde und zwei roten Schärpen. Provenienz: Erwerb von Bandu Wijesooriya, Ambalangoda, 1997. (Bild: Kathrin Leuenberger, 2023 / Völkerkundemuseum UZH)
  • Auftritt des Gurula Raksha
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    Gurula, der «Adler» ist einer der insgesamt 24 Raksha («schutzbringende Dämonen»). Durch seinen Auftritt im Kolam-Spiel hält er Unheil von den Menschen fern und schützt den Buddha, seine Lehre und seine Gemeinde. (Bild: Wolfgang Mey, Region Ambalangoda, 1988)
  • Tanz der Löwen
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    Tanz der Löwen: In der Löwenszene (Singha Kolama) im Kolam-Spiel erfreut das Löwenpaar den König und die Königin mit seinen kunstvollen Tänzen – begleitet vom Klang und dem Rhythmus von Trommeln. (Bild: Wolfgang Mey, Region Ambalangoda, 1980er)