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Die Sammlung des deutschen Ethnologenpaars Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey umfasst mehr als 700 Objekte – Ritualmasken und weitere Kostümteile sowie Ritualgegenstände aus Sri Lanka, gesammelt über zwei Jahrzehnte (1984 bis 2006). Sie wurde erst vor kurzem angekauft, was in der Ausstellung gewollt erkennbar ist: Viele Objekte liegen noch in Kisten, die sich im hinteren Teil des Ausstellungsraums stapeln. Zu bestimmten Zeiten gehen auch während der Öffnungszeiten der Ausstellung die Restaurierenden, die Registrarin und die Kuratorin ihrer Arbeit nach: Auspacken, Sichten, Erfassen, Konservieren, Verpacken und Ausstellen.
«Maskenspiel? 5 Fragen an Ritualkostüme aus Sri Lanka» ist die vierte Ausstellung der Werkstattreihe im Völkerkundemuseum UZH – eine Reihe, die Fragen aufwirft und den Prozess der Forschung erlebbar macht. So wird sich die Ausstellung bis im September 2024 erweitern und verändern. Der Grundgedanke aber bleibt: Bei Begegnungen mit vermeintlich «Anderen» treffen immer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen aufeinander, die ihr spezifisches Wissen und Können mitbringen. Entsprechend bieten diese Begegnungen die Chance für Vielstimmigkeit und Erfahrungsaustausch – wenn die Beteiligten richtig hinsehen und sich bewusst zuhören. Die Ausstellung versteht sich denn auch als Einladung dazu. Sie thematisiert solches Aufeinandertreffen in drei verschiedenen Epochen.
Im Zentrum steht die intensive ethnologische Forschung von Wolfgang Mey und Anna Wischkowski-Mey zu Heilritualen und Kolam-Tänzen in der Region von Ambalangoda an der Südwestküste Sri Lankas. Von 1984 bis 2006 erforschte und dokumentierte das Ethnologenpaar zusammen mit singhalesischen Ritualspezialisten wie Bandu Wijesooriya oder Karolis Gurunnanse (Meister Karolis) rituelle Praxis – performative Handlungen, die spirituelle, politische und soziale Anliegen vereinen und dabei auch Unterhaltung bieten. Über die Jahre wurden so dauerhafte, von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägte Beziehungen geknüpft. Dabei entstand eine umfangreiche Sammlung aus geschenkten und gekauften Objekten, die das Völkerkundemuseum der Universität Zürich 2022 dank Mitteln des Investitionskredits der UZH ankaufen konnte.
Knapp 100 Jahre früher zeigte der umtriebige Geschäftsmann Carl Hagenbeck, der sich auf «Völkerschauen» spezialisiert hatte, zum ersten Mal in der Schweiz seine «anthropologisch-zoologische Singhalesen-Ausstellung». 1885 wurden den Schaulustigen 51 Personen aus dem damaligen «Ceylon» sowie zwölf Elefanten und acht Zebus vorgeführt. Auf das authentische Darstellen einer real existierenden Kultur wurde wenig Wert gelegt; auf ein einträgliches Spektakel umso mehr. Ob die Menschen aus Sri Lanka damals freiwillig nach Europa kamen, ihre Auftritte mitbestimmen konnten und was sie über das Zürcher Publikum dachten – darüber ist kaum etwas bekannt. Ebenfalls ungewiss ist, ob das hiesige Publikum die «Fremden» als zeitgleich lebende Individuen begriff.
Insgesamt mindestens sechsmal waren in Zürich Personen aus Sri Lanka zu sehen – zum letzten Mal 1947 beim Circus Knie auf dem Sechseläutenplatz. Diese «Völkerschauen» sind ein unrühmliches Kapitel der Zürcher Stadtgeschichte und der Schweizer Vergangenheit, dessen Aufarbeitung erst begonnen hat. Mit der Ausstellung «Maskenspiel?» wird Raum geschaffen, um die Thematik aufzugreifen und endlich darüber ins Gespräch zu kommen.
Das Völkerkundemuseum nimmt die neu erworbene Sammlung Mey Wischkowski zum Anlass, aus dem Blickwinkel von Zeitgenossenschaft Vergangenheit zu reflektieren, Gegenwart zu gestalten und Zukunft auszuloten. «Zur Zeit der «Völkerschauen» nahmen viele Ethnologische Museen in Europa Masken und Ritualobjekte aus Sri Lanka auf. Die Karteikarten aber blieben weitgehend leer», sagt Kuratorin Martina Wernsdörfer, die am Völkerkundemuseum UZH für Asien zuständig ist. «Dank der Sammlung Mey Wischkowski rücken nun auch solche Objekte anders in den Blick, werden anders interpretierbar.» Ein bislang kaum adressiertes Thema ist dabei die indigene Kritik, die gerade in den Kolam-Tänzen formuliert wurde: Menschen in Sri Lanka hatten ihre eigenen Sichtweisen auf koloniales Gehabe und stellten auch Kolonialherren in ihren Auftritten dar. Glücklicherweise wurden die Masken, die Kolonialherren repräsentierten, als «exotisch» empfunden und gesammelt.
«Die Ausstellung «Maskenspiel?» versteht sich als Auftakt für ein gemeinsames Betrachten, Forschen, Nachdenken, Fragenstellen und Wissenteilen», sagt Wernsdörfer. Wie und wohin sich die Ausstellung während ihrer Laufzeit entwickeln wird, wird sich daraus ergeben, wer mit wem ins Gespräch kommt. «Sie alle sind eingeladen, teilzuhaben und den Werkstattgedanken weiterzutragen.»