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Soziologie

Wie oft Zugewanderte aus Europa Gelder in die Heimat überweisen

Wieviel Geld senden europäische Migrantinnen und Migranten aus der Schweiz in ihre Herkunftsländer? Eine Studie der Universität Zürich zeigt: Personen aus Portugal überweisen häufig kleinere Beträge, solche aus Grossbritannien eher höhere Summen, dafür weniger oft.
Migrantinnen und Migranten aus Portugal überweisen rund 4000 Franken im Jahr aus der Schweiz in ihr Heimatland. (Bild: Istock.com/Joel Cariellet)

Die Schweiz gehört zu den Ländern, aus denen Migrantinnen und Migranten weltweit am meisten Geld in ihre Heimatländer überweisen. Diese sogenannten Remissen können zur Unterstützung von Verwandten und Freunden eingesetzt werden, aber auch für eigene Zwecke wie beispielsweise einen Immobilienerwerb. Es wird häufig angenommen, dass solche Geldüberweisungen eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Lebensstandards und der ökonomischen Entwicklung von ärmeren Ländern spielen. Daher werden die Zahlungen vor allem mit Zugewanderten aus dem globalen Süden verbunden, nicht aber mit solchen aus Europa.

Überweisungen mindestens einmal im Jahr

Generell ist die Migration zwischen europäischen Ländern ein noch wenig erforschtes Thema. Ein Team des Soziologischen Instituts der Universität Zürich und der Universität Luzern hat nun im Rahmen des Projektes TRANSSWISS Remissen aus der Schweiz in andere europäische Länder untersucht. In der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie wurden rund 3000 Personen aus Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Grossbritannien, Italien, Portugal und Serbien schriftlich zu ihren Geldtransfers befragt. Bei der Auswahl der Länder wurde auf eine genügend grosse Heterogenität bezüglich der räumlichen Entfernung zur Schweiz, dem ökonomischen Entwicklungsstand der Gesellschaften und dem Qualifikationsprofil der Migranten geachtet.

Das Projekt zeigt auf, dass auch intraeuropäische Migrantinnen und Migranten regelmässig Überweisungen in ihre Herkunftsländer tätigen. «Im Durchschnitt machen dies 21 Prozent der Befragten mindestens einmal im Jahr», fasst Erstautor Jörg Rössel zusammen. Besonders Zugewanderte aus Grossbritannien (29 Prozent), Bosnien-Herzegowina (30 Prozent), Serbien (40 Prozent) und Portugal (46 Prozent) zahlen mindestens einmal jährlich Geld in ihre Heimat. Eher unter dem Durchschnitt liegen Personen aus Deutschland (15 Prozent) und aus Italien (13 Prozent) – was auch daran liegt, dass in diesen Gruppen zahlreiche Angehörige der zweiten Generation befragt wurden. «Generell nimmt die zweite Generation von Migrantinnen und Migranten seltener Rücküberweisungen vor. Dies hängt mit der geringeren Anzahl und Stärke ihrer sozialen Beziehungen in das Heimatland der Eltern zusammen», erklärt der Soziologie-Professor.

Unterstützung der Familie oder aufs eigene Konto

Die durchschnittlichen Beträge pro Jahr variieren ebenfalls stark je nach Nationalität: Personen aus Grossbritannien überweisen rund 4000 Franken, gefolgt von Portugal mit 2200 Franken und Deutschland mit 1100 Franken. Deutlich tiefer liegen die Beträge für Italien (650 Franken), Serbien (460 Franken) und Bosnien-Herzegowina (324 Franken).

Auffällig ist, dass Zugewanderte aus Bosnien-Herzegowina, Italien und Serbien die Überweisungen besonders häufig zur Unterstützung von Familien und Freunden einsetzen, während die portugiesischen Einwanderinnen und Einwanderer das Geld vor allem auf ihr eigenes Konto überweisen. Die deutschen und britischen Befragten weisen gemischte Muster auf.

Bindung zum Heimatland und Integration

Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass die Zahlung von Remissen von einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration und damit von einem hohen Einkommen der Migrantinnen und Migranten abhängig sind. Solche rein ökonomischen Grössen können die Unterschiede zwischen den Gruppen jedoch nicht erklären. Beispielsweise machen Personen aus Portugal besonders häufig Überweisungen, Deutsche jedoch eher weniger.

«Die Zahlung von solchen Geldern hängt ebenso von der Bindung an das Heimatland und von moralischen Normen ab. Menschen mit Familienmitgliedern oder Wohneigentum im Herkunftsland und mit einer starken moralischen Verpflichtung, die eigene Familie zu unterstützen, überweisen mit grösserer Wahrscheinlichkeit Geld», so Rössel. «Mit der Integration in der Schweiz hat dies allerdings wenig zu tun.» Die Identifikation mit der Schweiz, dem Heimatland, wahrgenommene Diskriminierung und Kenntnisse der Schweizer Landessprachen spielen eine untergeordnete bis keine Rolle. Rücküberweisungen in das Heimatland sind also gemäss der Studie kein Anzeichen für eine misslungene Integration in der Schweiz.

Literatur:
Jörg Rössel, Patrick Schenk, Ilona Pap: Patterns of Remittances of Intra-European Migrants: Social Relations and Moral Obligations. Journal of Ethnic and Migration Studies. 9. November 2023. DOI: DOI: 10.1080/1369183X.2023.2278413

 

Weiterführende Informationen

Kontakt

Prof. Jörg Rössel
Soziologisches Institut
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 23 33
E-Mail