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Die allgemein bekannteste Folge eines Traumas ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Diese psychische Krankheit zeichnet sich besonders durch Flashbacks aus, die die Betroffenen überwältigen. Für internationale Fachexpertinnen und -experten ist es aber seit Jahrzehnten klar, dass einige Traumaopfer oder -überlebende ein weiter reichendes Muster an psychischen Veränderungen aufweisen. Dies ist insbesondere der Fall bei Erlebnissen, die länger andauern oder sich wiederholen – etwa bei Kriegseinwirkungen, sexualisierter Gewalt in der Kindheit oder im Erwachsenenalter, bei anhaltender häuslicher Gewalt oder bei Folterungen.
Daher wurde eine ergänzte Beurteilung der Krankheit gefordert und die WHO hat die neue, international gültige Krankheitsklassifikation ICD-11 als Referenzsystem herausgegeben. Seit Januar 2022 gibt es nun die neue Diagnose «Komplexe post-traumatische Belastungsstörung». Die bisherigen PTBS-Symptome wie Flashbacks, Angstträume, Vermeidungsstrategien, Teilnahmslosigkeit und ein ständiges Bedrohungsgefühl wurden erweitert – etwa um das Merkmal der «beeinträchtigte Selbst-Organisation». Wichtige Anzeichen dafür sind überaktive oder gehemmte Gefühlsreaktionen, das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit sowie Schwierigkeiten, Beziehungen aufrechtzuerhalten oder sich anderen nahe zu fühlen.
Ein internationales Team mit Beteiligung der UZH hat nun im medizinischen Fachmagazin «The Lancet» im Detail beschrieben, wie eine Diagnose anhand der Symptome von Betroffenen zu stellen ist. Die Studie beschreibt, welche Schwierigkeiten dabei auftreten, welche Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen bestehen und welche diagnostischen Unterscheidungen zu machen sind zu sehr ähnlichen psychischen Erkrankungen wie schwere Depressionen, bipolare Störungen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen.
«Wir arbeiten heraus, wie im Routinebetrieb beispielsweise in medizinischen Notfalleinrichtungen und in Weltregionen mit weniger ausgebauten Gesundheitssystemen die Diagnose gestellt werden kann», sagt Erstautor Andreas Maercker, Professor für Psychopathologie und klinische Intervention an der Universität Zürich. Die Studie umfasst den neuesten Kenntnisstand zu den bio-psycho-sozialen Wirkungszusammenhängen nach systematischen Auswahlkriterien. Zudem wird die Evidenzbasis aller verfügbaren Therapiestudien analysiert und daraus Leitlinien für die Behandlung von komplexen Posttraumatischen Belastungsstörungen abgeleitet.
«Dies ist besonders wichtig, weil nicht alle Länder die Krankheitsklassifikation der WHO einsetzen, sondern der DSM-5- Klassifikation des amerikanischen Psychiatrieverbandes folgen. Und diese listet die komplexe PTBS-Diagnose derzeit nicht auf», unterstreicht Maercker die Wichtigkeit der Studie.
Andreas Maercker et al. Complex Post-Traumatic Stress Disorder. Lancet, 1. Juli 2022. Doi: 10.1016/S0140-6736(22)00821-2