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Freitag, 24. September, 14.00 Uhr. Labormanager Andrew A. Clark zeigt einer ersten Besuchergruppe stolz das neue LiRI-Labor, das aus mehreren miteinander verbundenen Schallschutzkabinen und Räumen für Video- und EEG-Aufnahmen besteht. Was hier neu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt wird, ist eine qualitativ hochwertige Grundausrüstung für interdisziplinär ausgerichtete linguistische Forschung.
Clark zeigt Geräte, welche die Qualität von Ton- oder Videoaufnahmen massiv verbessern, zudem können Stimmen und Lippenbewegungen aufgezeichnet werden, Eyetracker verfolgen die Bewegungen von Pupille und Iris und registrieren, wer beim Sprechen wann wohin schaut. Die Datenmengen, die bei diesen modernen linguistischen Methoden anfallen, können dank hoher Rechenleistung und ausgefeilter Software gespeichert und ausgewertet werden.
Doch woran arbeiten die Linguistinnen und Linguisten, die LiRI benutzen, konkret? Ein Beispiel ist Professorin Nathalie Giroud, Leiterin der Computational Neuroscience of Speech & Hearing. Mit ihrer Forschungsgruppe untersucht sie den Zusammenhang von Demenz und Schwerhörigkeit. Fehlende akustische Reize können die Entstehung einer Demenz begünstigen oder den Verlauf beschleunigen, erklärte Giroud in einem Kurzvortrag. Menschen, die schlecht hören, ziehen sich oft aus ihrem Sozialleben zurück – und haben so weniger Impulse für das Gehirn. Ein weiterer Grund könnte sein, dass ein Mangel an auditiven Reizen die Hirnaktivität senkt.
Giroud hat herausgefunden, dass bestimmte Areale des Kortex mit einer besseren auditorischen Leistung bei älteren Erwachsenen verbunden ist. Mittels der EEG-Infrastruktur im neuen LiRI-Lab kann sie ihre Forschung in diesem Bereich weiter vorantreiben.
Sebastian Sauppe, SNF-Postdoc am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft, befasst sich mit der Frage, wie aus Gedanken ausformulierte Sätze werden. Bei der Umwandlung von Gedanken in Sprache beginnt der Sprecher mit einer ersten verbalen Botschaft, die dann nach und nach sprachlich kodiert wird. Das passiert in Sekundenschnelle. Je nach Sprache verlaufen die Satzbildungsprozesse wieder anders. Um seine sprachvergleichende Studie durchführen zu können, benötigt Sauppe spezielle mobile Aufzeichnungsgeräte wie zum Beispiel mobile Eyetracker, die bei LiRI zur Verfügung stehen.
Lei He, SNSF-Ambizione Stipendiat am Institut für Computerlinguistik in der Phonetics & Speech Sciences Group, untersucht die Fähigkeit der Menschen, individuelle Stimmen zu erkennen – ein Phänomen, das tief in der Evolution des menschlichen Verhaltens verwurzelt ist. Bis heute sind die Mechanismen der Sprechererkennung aufgrund der hohen Variabilität der akustischen Hinweise kaum erforscht.
Lei He geht hier weiter, er untersucht den Zusammenhang zwischen visuellen und auditiven Merkmalen und verfolgt Fragen wie: Können Menschen lediglich anhand der Stimme eines anderen dessen Aussehen abschätzen? Oder können Menschen eine Stimme rekonstruieren, wenn man nur die Gesichtsbewegungen beim Sprechen erkennt? Interessant für Lei He ist zudem die Frage, welches Bild vom Sprechenden beim Zuhörenden entsteht, sobald er eine Stimme hört.
Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinaus wird bei LiRI grossgeschrieben. Forschende aus den verschiedenen Sprachen und Subdisziplinen der Linguistik spannen hier zusammen. Die Voraussetzung dafür wurde mit dem Zürcher Kompetenzzentrum für Linguistik (ZüKL) geschaffen und mit dem Universitären Forschungsschwerpunkt (UFSP) Sprache und Raum.
Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung der UZH, war massgeblich am Aufbau des LiRI beteiligt. Sie wies auf die Teamleistung beim Aufbau der Technologieplattform hin. Die linguistische Forschungsinfrastruktur stärke die trans- und interdisziplinäre Forschung an der UZH, sagte sie.
Nicht nur die Forschung, sondern auch die Lehre wird von der LiRI-Infrastruktur profitieren. Denn neue Methoden der Datenerhebung, Datenverarbeitung und der quantitativen Analyse sind wichtige Bestandteile des neu geschaffenen Mono-Masterstudiengangs «Linguistics». «Zeitgenösseische theoretische und anwendungsbezogene Arbeiten in der Linguistik sind fast ausschliesslich empirisch. Das müssen unsere Studierenden in Zukunft beherrschen», sagt Volker Dellwo, Phonetikprofessor und Direktor der Technologieplattform LiRI.