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Seit 2004 verfolgt das «Zürcher Projekt zur sozialen Entwicklung von der Kindheit ins Erwachsenenalter», z-proso, das Leben junger Menschen in Zürich. In der jüngsten Erhebung befragte das z-Proso-Studienteam rund 700 Teilnehmende, wie sie ihren Alltag während der Coronakrise erlebten. Viele der 22-Jährigen befinden sich in einer Übergangsphase. Sie stehen zum Beispiel vor wichtigen Studienprüfungen, treten gerade in den Arbeitsmarkt ein, sind mit finanziellen Unsicherheiten konfrontiert und/oder befinden sich in sozialen Beziehungen, einschliesslich Freundschaften und Liebesbeziehungen. Die Pandemie hat daher das Potenzial, ihr Leben erheblich zu beeinträchtigen.
Die wichtigsten Ergebnisse der drei Befragungen im April und Mai 2020 werden nachfolgend vorgestellt.
Die Resultate zeigen, dass die gegen die Ausbreitung des Coronavirus erlassenen Massnahmen das tägliche Leben der Teilnehmenden stark beeinflusste, insbesondere in den frühen Phasen des Lockdowns. Die grössten Auswirkungen wurden im April beobachtet, als die strengsten Massnahmen umgesetzt wurden (Bildergalerie Abbildung 3). Zu diesem Zeitpunkt gaben 57 % der Teilnehmenden an, dass ihr Leben stark aus der Bahn geworfen worden sei, während 26 % nicht das Gefühl hatten, dass ihr Leben sehr betroffen war. Mit der allmählichen Aufhebung der Vorschriften im Mai gaben noch etwa vier von zehn Teilnehmenden an, ihr Leben sei stark aus der Bahn geworfen worden, während jede*r Dritte angab, dass ihr/sein Leben nicht ernsthaft betroffen war.
Zu den am stärksten betroffenen Lebensbereichen gehörten Studien- und Arbeitssituationen. Über die Hälfte der Teilnehmenden arbeitete oder studierte im April und Mai von zuhause aus (Bildergalerie Abbildung 4). Etwa ein Viertel arbeitete am regulären Arbeitsplatz, wobei dieser Prozentsatz bis Ende Mai leicht auf 30 % anstieg, als die Beschränkungen gelockert wurden. Der Anteil der von Kurzarbeit oder reduzierter Arbeit betroffenen Teilnehmenden betrug im April 17 % und Ende Mai 11 %.
Mit offenen Fragen wurden die Teilnehmenden dazu eingeladen, ihre Gedanken zur Coronakrise zu teilen. Sie zeigten, dass die Veränderungen der Arbeits- und Studienbedingungen sowohl Vor- und Nachteile mit sich brachten. Während kürzere Zeiten im öffentlichen Verkehr sowie flexiblere Arbeitsbedingungen und Studienzeiten von einigen positiv bewertet wurden, gaben andere an, dass die Digitalisierung von Unterrichtsmaterialien und die Schliessung von Bibliotheken eine Herausforderung für das Studium darstellten.
Mit fortschreitender Krise veränderte sich auch das allgemeine Wohlbefinden der jungen Menschen. Insgesamt war das Fehlen sozialer Kontakte zu Familie und Freunden, einschliesslich körperlicher Kontakte, eine der am häufigsten genannten negativen Auswirkungen. Darüber hinaus wurden häufig Bedenken hinsichtlich wirtschaftlicher Konsequenzen und Unsicherheiten betreffend der Ausbildung geäussert.
Neben den negativen Folgen sahen die Teilnehmenden auch positive Aspekte der Coronakrise. Am häufigsten wurde die Tatsache erwähnt, dass sie viel mehr Zeit hatten, die sie im engsten Kreis zu Hause verbringen konnten, um Hobbys nachzugehen, für die sie sonst keine Zeit hatten und um über ihr eigenes Leben nachzudenken. Diese Teilnehmenden waren durch die Massnahmen zur Eindämmung des Virus weniger gestresst.
Die Massnahmen zur Kontrolle und Eindämmung des Virus waren sehr restriktiv, insbesondere im April während des Lockdowns. Dennoch waren die Studienteilnehmenden insgesamt ziemlich verständnisvoll und stimmten den meisten Massnahmen zu. 93 % der Teilnehmenden fühlten sich verpflichtet, die Massnahmen einzuhalten, und zwischen 75 % und 82 % der Teilnehmenden hielten die Massnahmen für fair und wirksam und stimmten ihnen zu (Bildergalerie Abbildung 7).
Demgegenüber waren 9 % bis 27 % der Teilnehmenden der Ansicht, dass es Gründe gab, die Anweisungen nicht einzuhalten oder ernst zu nehmen, mit der Rechtfertigung, dass andere die Vorschriften nicht einhalten würden, dass Risikopopulationen wie ältere Menschen bei einer Infektion selber schuld seien und dass Epidemien schon immer existiert hätten und ihren Lauf nehmen sollten.
Im Zusammenhang mit der sozialen Distanzierung hatten die Teilnehmenden weniger ausgeprägte Gefühle. Obwohl im April noch zwei Drittel der Befragten fanden, dass es falsch sei, soziale Distanzierung nicht einzuhalten, waren im Mai weniger als 40 % dieser Ansicht. Dieser erhebliche Rückgang in nur sechs Wochen lässt darauf schliessen, dass die Einhaltung der sozialen Distanzierung nur vorübergehend unterstützt wurde. Als soziale Wesen scheint es für Menschen schwierig zu sein, die Idee der Vermeidung sozialer Kontakte über einen längeren Zeitraum zu befürworten.
Wie hielten die jungen Erwachsenen die BAG-Empfehlungen de facto ein? Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden gab an, die Empfehlungen zur sozialen Distanzierung des BAG zu befolgen (Bildergalerie Abbildung 9). Im April gaben beispielsweise über 90 % der Befragten an, bei Symptomen zu Hause zu bleiben, sowie gefährdete Personen, Gruppen und öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Mit 82% in etwas geringerem Ausmass hielten sich die Teilnehmenden auch an die soziale Distanzierung.
Die Einhaltung von Hygieneempfehlungen war insbesondere bezüglich der Regeln zu regelmässigem Händewaschen sowie dem Abdecken von Mund und Nase bei Husten und Niesen sehr konsequent: 95 % der Teilnehmenden hielten sich an die entsprechenden Empfehlungen. Einzelne Massnahmen wie das Händewaschen nach Husten und Niesen wurden mit 47% von deutlich weniger Personen eingehalten. Im Allgemeinen befolgten Frauen die Empfehlungen häufiger als Männer.
Die Hygieneempfehlungen wurden zwar insgesamt in hohem Ausmass eingehalten, dennoch gab es Unterschiede zwischen den Befragten. So hielten sich (werdende) Akademiker*innen häufiger an soziale Distanzierungsmassnahmen als andere, aber weniger häufig an Hygienemassnahmen, möglicherweise weil sie beruflich weniger exponiert sind (Bildergalerie Abbildung 10).