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Ausstellung «Wired Nation – Landschaft, Architektur, Infrastruktur»

Pumpwerke des Datenverkehrs

Wir nutzen permanent Daten, doch die materielle Grundlage des Internets bleibt uns meist verborgen. Die neu eröffnete Ausstellung «Wired Nation» am Collegium Helveticum blickt ins Innere von Schweizer Rechenzentren und leuchtet die faszinierende Infrastruktur der Informationsgesellschaft aus.
Nathalie Huber
Die folgenden Bilder sind in der Ausstellung «Wired Nation – Landschaft, Architektur, Infrastruktur» zu sehen.


E-Mails schreiben, an Sitzungen teilnehmen, Zeitung lesen, einkaufen oder Filme anschauen: Das alles läuft zunehmend online. Als Nutzerinnen und Nutzer haben wir uns an den ununterbrochenen digitalen Datenfluss gewöhnt. Dass für das Berechnen, Speichern, Übertragen und Löschen digitaler Daten physische Grundlagen nötig sind – daran denken wir kaum.

Die neu eröffnete Ausstellung «Wired Nation – Landschaft, Architektur, Infrastruktur» rückt die verborgene physische Seite des Internets für einmal in den Vordergrund. «Wir wollen die Materialität sichtbar machen, die sich hinter diesen virtuellen Prozessen verbirgt», sagt UZH-Historikerin Monika Dommann. Zusammen mit Hannes Rickli, Künstler und Professor an der Zürcher Hochschule der Künste, leitet sie das Forschungsprojekt «Digitale Infrastrukturen». Die Ausstellung ist aus diesem Forschungsprojekt hervorgegangen. Sie wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UZH und ETH, Künstlerinnen und Architekten gemeinsam am Collegium Helveticum erarbeitet und ist in der Semper-Sternwarte der ETH Zürich zu sehen.

Wohin gehen meine Daten?

Alle Daten, die wir über das Internet austauschen, liegen irgendwo physisch gespeichert – meist auf Servern in Rechenzentren. «Das sind Anlagen, von denen wir in der Regel nicht viel wissen, und die wir deshalb in der Ausstellung zeigen», sagt Monika Dommann. Besucherinnen und Besucher erfahren, wo in der Schweiz diese Rechenzentren stehen, wer sie betreibt, und was dort geschieht.

In der Schweiz existiert eine Vielzahl von Rechenzentren. Sie sind über das ganze Land verteilt: als unscheinbare Büroräumlichkeiten inmitten grösserer Städte, als immense Lagerhallen in suburbanen Industriezonen oder als hochsichere Festungen in den Schweizer Bergen. Eines davon ist das Rechenzentrum Ostschweiz RZO, das sich abseits des urbanen Lebens im appenzellischen Gais befindet. Die Bilder der Architekturfotografin Andrea Helbling ermöglichen einen Blick in die Innenwelt dieser Anlage: die riesigen Serverräume, die komplexe Lüftungsanlage oder die Netz-Ersatzanlage – ein Dieselgenerator, der bei einem Stromausfall den gewaltigen Energieverbrauch der Datenfarm sicherstellen kann.

Eine direkte Erfahrung mit der massiven Materialität eines Rechenzentrums machen Besucherinnen und Besucher anhand der begehbaren originalgetreuen Installation «Kaltgang» von Hannes Rickli. Ein Kaltgang ist eine Konstruktion, die in Datenzentren als Rahmen für die serielle Unterbringung von Servern dient. Sie trennt die Kühl- und Abluft der Server.

Sound der Wetter-Algorithmen

Dass Rechenzentren keine stillen Orte sind, wo technische Apparaturen stumm vor sich hinrechnen, verdeutlicht die Radioinstallation der Künstlerin und Informatikerin Valentina Vuksic. Sie hat Induktionsspulen in einem Cray-Supercomputer des Centro Svizzero die Calcolo Scientifico in Lugano installiert. Diese Spulen wandeln die Schwankungen der elektromagnetischen Felder von Stromversorgung, Kühlung und Prozessoren in akustische Signale um. Die Geräusche entstehen, während der Computer aufkommende Wind-, Wolken- oder Regenströmungen aus Daten unzähliger Messstationen in Grafiken umsetzt. Per Livestream werden die Arbeitsgeräusche der Wetter-Algorithmen in den Ausstellungsraum übertragen.

Datentunnel Milchbuck

Ein weiteres Thema der Ausstellung ist die Vernetzung zwischen den Servern der Rechenzentren und den Computern der Clients. Kabel spielen eine tragende Rolle für den Internetverkehr. Häufig bestehen sie aus Glasfasern. Ein wichtiger Glasfaserknoten befindet sich im Servicetunnel Milchbuck, durch den der Datenverkehr von und nach Zürich geführt wird. Die ausgestellten Bilder führen Interessierte in die Korridore dieser unterirdischen Parallelwelt, die zugleich das Rückgrat des Zürcher Telekommunikationsnetzwerks bildet.

Einige der im Milchbuck verlegten Glasfaserkabel hat das in Altdorf ansässige Unternehmen Dätwyler produziert. Die Erfolgsgeschichte dieser Schweizer Firma, durch deren Kabel ein Grossteil des Internetdatenverkehrs in der Schweiz verläuft, wird anhand von Videobeiträgen und ausgestellten Bildern dokumentiert. Die Dätwyler AG begann bereits 1986 mit der kommerziellen Produktion von Glasfaserkabeln. Mithilfe der Gründung eines Joint Ventures in China konnte das Unternehmen früh im chinesischen Markt Fuss fassen und eignete sich dadurch wichtiges Know-how an.

Ruine des Informationszeitalters

Die Ausstellung wirft auch einen Blick in die Vergangenheit und zeigt auf, wie vergänglich jede digitale Infrastruktur ist. «Die Digitalisierung läuft schon lange, die Technologie verändert sich rasant, doch die Materialität, auf der sie basiert, bleibt bestehen», erklärt Monika Dommann. Zu sehen ist das etwa anhand des Elektronischen Rechenzentrums ERZ/W, dem ehemaligen Forschungs- und Entwicklungszentrum der PTT. Ende der 1960er-Jahre war es eines der schweizweit grössten Zentren für Datenverarbeitung und Computing. 2014 gingen hier die Lichter aus. Heute ist die einstmals hochmoderne Anlage ein stiller Zeuge des frühen Informationszeitalters. 

 

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