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Luregn von Planta: Die Situation ist speziell und gewöhnungsbedürftig, aber wir Menschen gewöhnen uns schnell an solche Situation. Ich persönlich komme gut klar damit – einzig, da ich stets zuhause bin und immer das Gleiche tue, habe ich zumindest ein Stück weit mein Zeitgefühl verloren.
Obwohl meine Eltern auch zuhause arbeiten, kommen wir uns nicht in die Quere; wir haben in der Wohnung genug Platz. Auch hätte ich die Möglichkeit, täglich in die Natur zu gehen, ich bleibe jedoch aus Verantwortungsgefühl meiner Mutter gegenüber stets zuhause, weil sie Risikopatientin ist. Da ich kein Auto fahre, geht mein Vater einkaufen. Die Vorlesungen finden online über Microsoft Teams statt. Ich strukturiere meinen Alltag nicht bis ins letzte Detail, aber ich nehme mir jeden Tag vor, was ich alles erledigen möchte. Am produktivsten ist man mit einem Ziel.
Ich arbeite abends, nachts oder am Wochenende im Tierspital als studentische Pflegehilfe. Aufgrund der Corona-Situation hat das Tierspital die Arbeitszeiten reduziert, so dass ich weniger Schichten übernehmen kann. Ich kann das jedoch kompensieren, da ich Anfang Monat viel gearbeitet habe. Da ich zuhause wohne und meine Arbeit nicht komplett eingestellt wurde, habe ich eigentlich noch «Glück».
Neben dem Studium bin ich noch in Vereinen aktiv, vor allem in der International Veterinary Students' Association. Da haben wir einen Austausch mit Polen organisiert, mit Workshops und Referaten, die im März hätten stattfinden sollen, die nun aber abgesagt wurden. Nun müssen wir leider den Event auf den Herbst verschieben.
Ich kann länger schlafen (lacht). Die ganzen Massnahmen kommen sicherlich der Umwelt zugute, da weniger Flugzeuge fliegen, alle im Home-Office arbeiten und nicht ständig im Stau stehen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Lockdown auch nachhaltige Auswirkungen hat – indem viele merken, dass ein internationales Meeting auch online durchgeführt werden kann; dann überlegt man es sich zweimal, ob ein Flug nach London wirklich nötig ist.
Die UZH hat wirklich eine Meisterleistung vollbracht. In kürzester Zeit konnte die Universität auf Online-Unterricht und Home-Office umstellen – es funktioniert erstaunlich gut! Mit den Mails, die die Universität an die Studierenden verschickt, wird schon klar, dass auch die Universität das Bewusstsein fördern will, dass junge Leute eine Verantwortung tragen. Studierende sollten genug vernünftig sein, die Anordnungen zu befolgen, insbesondere Medizinstudentinnen und -studenten.
Wir bleiben über Microsoft Teams verbunden. Vorlesungen und auch Praktika werden über diese Plattform übertragen. Nächste Woche findet ein Physiologie-Praktikum statt. Ich weiss zwar noch nicht, wie das funktionieren soll – ich bin gespannt. Normalerweise versammeln sich die Studierenden um den Professor und das Präparat, und sie hören zu und stellen Fragen. Da wir zurzeit aber nicht in den Sektionssaal können, hat der Dozent eine Videosequenz hochgeladen, auf die Studierende zugreifen können. Wir können nun das Video mehrmals online anschauen und bei Unklarheiten wieder zurückspulen. Das ist ein riesiger Vorteil!
Ein riesiger Schritt in Richtung Online-Zugang zu Dokumenten und Büchern hat bereits letztes Jahr stattgefunden. Aufgrund der gegenwärtigen Situation mit geschlossener Bibliothek wurde nun die e-Book-Sammlung erneut erweitert. Ausserdem hat die Fakultät beispielsweise die Online-Sammlung lichtmikroskopischer Schnitte komplett beschriftet, damit die Studierenden sie online besser nutzen können. Ich bin eigentlich positiv überrascht, dass das Verfolgen der Vorlesungen von zuhause aus auch gewisse Vorteile hat.
Ich mache mir nicht so viele Sorgen. Dekan Roger Stephan von der Fakultät für Veterinärmedizin Zürich schickt regelmässig kurze Newsletter, in denen er Neuigkeiten aus dem Tierspital Zürich mitteilt. Zum Beispiel Fallbeispiele wie jener, dass ein Hund erfolgreich operiert werden konnte und nun wieder wohlauf ist. Es ist schön, zu erfahren, dass es den Tieren gut geht. Oder im Newsletter steht, wie die Team-Meetings stattfinden: Die Ärzte stehen dabei in gebührendem Abstand auf dem Parkplatz und der Chef muss etwas lauter sprechen, damit ihn alle hören. Ich finde es toll, wie die Fakultät in dieser Situation eine Nähe zu den Studierenden schafft und uns auf dem Laufenden hält, wie die Leute auf sichere Art und Weise ihrem Job nachgehen können.
Wer jung ist und helfen kann, sollte das unbedingt tun; aber auch die Älteren sollten zuhause bleiben und die Hilfe annehmen, und nicht alles selbst erledigen wollen. Die Massnahmen sind ja dazu da, zu verhindern, dass sich in kürzester Zeit zu viele Menschen anstecken und das Gesundheitssystem kollabiert. Mit dem derzeitigen Aufruf, zuhause zu bleiben, stecken sich weniger Personen an, und die eingelieferten Patienten können alle durch das Gesundheitssystem getragen werden. Im anderen Fall kommen Ärztinnen und Ärzte irgendwann in die Situation, dass sie entscheiden müssen, wer das letzte Bett auf der Intensivstation bekommt – die sogenannte Triage. Ich stelle mir vor: Ein Grossvater, der über 65 ist, ein Familienvater mit Diabetes oder ein junger Erwachsener, der gerade Pech hatte, werden in die Klinik eingeliefert, man hat aber nur noch ein Beatmungsgerät – wie entscheidest du da als Arzt oder Ärztin? Wenn die Leute den Ernst der Lage begreifen, dann bleiben sie zuhause.
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