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Wird ein Kind körperlich oder seelisch misshandelt, leidet es. Der Stress, der durch Missbrauch oder Vernachlässigung entsteht, kann die Entwicklung des kindlichen Gehirns beeinflussen und dadurch das Denken und Handeln beeinträchtigen. Das führt dann beispielsweise dazu, dass das Kind Mühe hat, seine Emotionen zu regulieren.
Diese emotionalen Folgen von Kindesmisshandlungen untersucht Monique Pfaltz. Die Assistenzprofessorin für klinische und experimentelle Psychophysiologie erforscht, wie sich der Umgang mit Emotionen bei Personen, die ein Trauma erlitten haben, verändert. Wichtige Hinweise auf Traumata zeigen sich im Erkennen und Ausdrücken von Gefühlen. Pfaltz nutzt deshalb Experimente zur Mimik und untersucht, wie Opfer von Misshandlungen ihre Gefühle mimisch ausdrücken, aber auch, wie sie die Emotionen anderer Personen wahrnehmen.
In Laborexperimenten mit jungen Erwachsenen hat Pfaltz zum Beispiel herausgefunden, dass Personen mit Misshandlungserfahrungen dazu neigen, neutrale Gesichtsausdrücke negativ zu interpretieren und sie beispielsweise als Ausdruck von Verachtung wahrnehmen. «Dies ergibt Sinn, denn misshandelte Kinder haben etwa erlebt, dass ihre Bezugspersonen in bestimmten Situationen gleichgültig oder scheinbar aus dem nichts heraus negativ auf sie reagiert haben», erklärt Pfaltz. Diese prägenden, negativen Erfahrungen, könnten dazu führen, dass Betroffene auch die Mimik anderer Menschen längerfristig negativ interpretieren. Dadurch erschwert sich ihr Umgang mit anderen, was wiederum belastend ist.
Wie kann man nun die Betroffenen unterstützen? «Neben einer Psychotherapie könnte auch ein Emotionserkennungstraining Kindern, die Misshandlung erfahren haben, helfen», sagt Pfaltz. Solche gezielten Trainings werden bei Patienten mit Schizophrenie und anderen psychischen Erkrankungen bereits erfolgreich eingesetzt Noch ist es aber zu früh für solche Therapieansätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Pfaltz will vorerst herausfinden, inwiefern ihre Studienergebnisse generalisierbar sind. «Gerade wenn wir therapeutische Interventionen aus unseren Ergebnissen ableiten wollen, müssen wir wissen, ob unsere Befunde in der Schweiz auch für Personen aus anderen Kulturkreisen gelten», betont sie. Denn ob und welche Emotionen man nach aussen hin zeigt, ist stark vom sozialen Umfeld und der Kultur beeinflusst.
Bis anhin stammen aber die meisten Studien zur Erfassung emotionaler Prozesse hauptsächlich aus Europa und aus den USA. Um Forschungsergebnisse jedoch kulturübergreifend vergleichen zu können, hat Pfaltz mit ihrer Zürcher Arbeitsgruppe eine Forschungsinitiative lanciert. Ihr Ziel ist es, eine internationale Forschungsgruppe aufzubauen, die längerfristig länderübergreifend die sozio-emotionalen Folgen von Kindesmisshandlung untersucht.
Der Kick-off-Event dazu hat kürzlich online stattgefunden. «Ich war sehr erstaunt und erfreut, auf welch grosses Interesse unsere Initiative gestossen ist», berichtet Pfaltz. Es sei sehr bereichernd gewesen, über Disziplinen und Karrierestufen hinweg, einen Dialog zu führen. Insgesamt haben sich 21 Forschende mit unterschiedlichster methodischer Expertise aus elf Ländern und sechs verschiedenen Zeitzonen beteiligt.
Aus dem ersten Online-Treffen haben sich bereits konkrete Forschungsprojekte herauskristallisiert. Eines darunter untersucht, wie von Missbrauch betroffene Personen körperliche Nähe gegenüber anderen tolerieren. Pfaltz hat dazu bereits einige Experimente in Zürich durchgeführt. Sie hat beispielsweise den Abstand gemessen, den traumatisierte Personen zu fremden Menschen einhalten. Die Ergebnisse belegen, dass Personen mit Misshandlungserfahrungen in der Vergangenheit, einen grösseren Abstand bevorzugen als andere Menschen ohne diese Erfahrungen. Ausgehend von diesen Resultaten will Monique Pfaltz nun mit einem internationalen Team weitere Forschungsfragen klären. Zum Beispiel, ob die Art der Misshandlung eine Rolle spielt, oder ob sich eine bevorzugte grössere Distanz auch im Umgang mit bekannten Personen zeigt – etwa den eigenen Kindern.
«Die internationale Vernetzung bringt uns nicht nur den Vorteil, dass wir Forschungsergebnisse transkulturell validieren können, sondern wir können auch viel grössere Stichproben zusammentragen und dadurch Forschungsfragen neu untersuchen», fasst Pfaltz zusammen. Mithilfe des internationalen Forschungsnetzwerks könnten zukünftig auch grössere Studien oder Langzeituntersuchungen durchgeführt werden, um darauf gestützt Therapien für die Opfer von Kindesmisshandlung zu entwickeln.