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Tatiana Crivelli Speciale: Die akademische Führungsposition beinhaltet zwei unterschiedliche Rollen: Einerseits ist man als Seminar- oder Institutsvorsteherin verantwortlich für die strategische und administrative Leitung. Anderseits agiert man als Wissenschaftlerin, die mit Kolleginnen und Kollegen kooperiert und Forschungsprojekte sowie Doktor- oder Masterarbeiten leitet. In der zweiten Rolle ist man häufig ein «Peer», eine Forscherkollegin, die auf Augenhöhe auftritt. Das Gleichgewicht in dieser Doppelfunktion zu halten, ist anspruchsvoll.
Sie muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, und sie sollte eine strategische Vision haben. Ebenso wichtig ist, dass eine Führungsperson sozialkompetent ist. Das heisst, sie muss gewillt sein, ihren Mitarbeitenden nicht nur zuzuhören, aber auch Anregungen für ihr eigenes Wirken durch das Gespräch einzuholen. Im Grunde sollte man als Führungsperson mit allen Leuten gut umgehen können. Das kann sehr anspruchsvoll sein und gleichzeitig sehr bereichernd. Im Romanischen Seminar etwa wird in sieben Sprachen gesprochen, viele Kulturen treffen sich unter einem Dach – eine grossartige Diversität.
Ich kann mit starren Hierarchien nicht viel anfangen. Auf der anderen Seite bin ich gerne bereit, die Verantwortung zu übernehmen, die mit einer Führungsposition verbunden ist, und ich arbeite zielorientiert. Ich führe gerne im Austausch mit dem Team, weil ich denke, dass es besser ist, wenn man die Strukturen, in denen man sich bewegt, auch mitgestalten kann. Mir ist es bewusst, dass dies natürlich anstrengender ist, als wenn man als tonangebende Chefin handelt und seine Weisungen einfach durchsetzt.
Wenn ich nicht ernst genommen werde. Ich weiss, dass einem das als Frau häufig passieren kann. Wenn ich etwa eine Neuerung einführen will, muss ich immer bereit sein, diese zu rechtfertigen und zu beweisen.
Ja, Vernetzung ist wirklich das A und O. Ich bin zum Beispiel Teil einer interfakultären Gruppe, die sich ein- bis zweimal jährlich trifft. Wir stellen einander jeweils unsere Forschungsgebiete vor. Ich finde es sehr spannend, einen Einblick in andere Disziplinen zu erhalten. Diese Kontakte sind auch wichtig für meine Arbeit in der Gleichstellungskommission: Ich kann jederzeit Kolleginnen kontaktieren und ihre Meinungen zu spezifischen Fragen einholen.
Ich schaue mir immer genau an, wie andere Führungspersonen mit ähnlichen Herausforderungen umgehen. Für mich ist es auch wichtig zu erfahren, wie Männer führen – nicht nur als Vorbild.
Kritik ist für niemanden einfach, auch für mich nicht. Ich nehme konstruktive Kritik ernst, indem ich versuche, sie nachzuvollziehen und meine Lehren daraus zu ziehen. Mein Motto lautet: Mit den richtigen Umgangsformen können wir über alles diskutieren. Ich habe eine wöchentliche Sprechstunde als Seminarvorsteherin und lade die Leute ein, mit ihren Anliegen zu mir zu kommen.
Ich fände es gut, wenn man Quoten einführen würde. Sie wären zumindest ein valables Instrument für eine gewisse Zeit. Denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gemischte Teams anders agieren und zum Teil effizienter arbeiten. Frauen sind in den universitären Führungspositionen und -gremien stark untervertreten; aktuell liegt der Anteil an Professorinnen bei rund 20 Prozent. Wie das Gleichstellungsmonitoring der UZH beweist, wird es lange dauern, bis sich das verändert.
Führungskurse, die genderspezifische Differenzen in Bezug auf Führung thematisieren, würden eine Lücke füllen. Stimmt es, dass Männer in der Regel einen dominanten Führungsstil kennen? Oder dass Frauen hingegen in der Regel eher integrativ führen? Genau diese Unterschiede müssten Frauen gemeinsam mit Männern diskutieren, damit in ihre Führungsarbeit andere Perspektiven, Methoden und Ansichten einfliessen können.
Nicole Joller: Ich denke, dass sich Führungsaufgaben im akademischen Umfeld nicht von solchen in der Industrie und der Politik unterscheiden. Allerdings ist die Zusammensetzung des Teams von Anfang an zeitlich begrenzt: Doktorandinnen und Doktoranden betreut man nur während vier bis sechs Jahren.
Sie sollte eine Vision haben, wie sie die Forschung und das Team als Ganzes weiterbringt. Wenn sich das Team weiterentwickelt, bringt mich das auch als Leitungsperson weiter.
Ich denke, dass ungleiche Führungsstile eher mit Unterschieden in der Persönlichkeit als mit Gender zu tun haben.
Das Schwierigste ist, dass man als Vorgesetzte eine gewisse Distanz zum Team hat. Als Postdoc oder als Doktorandin ist man immer Teil des Teams. Als Teamleiterin bin ich das auch, dennoch bin ich diejenige, die letztlich teamübergreifende Entscheidungen treffen muss. Obwohl mir das von Anfang an klar war, war es dennoch schwierig zu akzeptieren, dass ich als Führungsperson zeitweilig alleine bin.
Ich bin offen, im Sinne, dass man mit mir über alles sprechen kann. Ich respektiere meine Mitarbeiter und bin auch offen für Anregungen in Bezug auf meine Forschung. Ich bespreche meine Absichten jeweils im Voraus mit meinen Mitarbeitenden. Es ist mir wichtig, dass sie meine Entscheidungen verstehen und möglichst mittragen.
Ja. Allerdings sollte die Führungsausbildung bereits früher, nicht erst auf Stufe Professur, stattfinden. Denn: Bereits als Doktorandin oder Doktorand übernimmt man Aufgaben in der Lehre, leitet Praktika und betreut Masterstudierende. Wenn man bereits zu diesem Zeitpunkt gewisse grundsätzliche Führungsprinzipien erhielte, wäre das sicherlich hilfreich.
Auf meinem Karriereweg waren viele Frauen meine Vorgesetzte. Mit vielen von ihnen stehe ich nach wie vor in Kontakt. In der Wissenschaft dreht sich das Networking aber speziell um Ressourcen, um Know-how und um Verbindungen zu den richtigen Personen. Deshalb vernetze ich mich mit Männern und Frauen.
Ich bin nicht ganz sicher, ob das wirklich sinnvoll ist. Denn grundsätzlich ist Führungskompetenz weder Männern noch Frauen in die Wiege gelegt – beide Geschlechter müssen Führungserfahrung sammeln. Allerdings kann es in internationalen Forschungsteams ab und an Situationen geben, in denen Frauen als Führungspersonen weniger akzeptiert werden. Denn nicht in jedem Kulturkreis ist die Gleichberechtigung der Geschlechter gleich weit fortgeschritten. Damit man mit solchen Situationen gut umgehen kann, wäre ein spezifisches Rüstzeug nützlich.
Quoten sind zweischneidig: Kurzfristig erreicht man dank ihnen ein Ziel und kann ein Ungleichgewicht korrigieren. Quoten bergen aber das Risiko, dass man nicht die für die Aufgabe geeignetste Person auswählt. Grundsätzlich muss es unser Ziel sein, in Führungsgremien eine Verteilung der Geschlechter zu haben, die auch die Bevölkerung widerspiegelt.