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Der Handelsstreit zwischen den USA und China sorgt dieser Tage für Schlagzeilen. Chinas Expansionsstreben wird als das typische Handeln einer aufstrebenden Grossmacht beschrieben. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Handelskonflikte mit China kein neues Phänomen sind. Früher bestimmte hingegen der Westen die Spielregeln. 1793 wurde etwa der irische Lord Macartney im Auftrag der Briten nach China gesandt, um die restriktive Handelspolitik der Qing-Dynastie zu durchbrechen.
«Unser Interesse an China hat eine lange Geschichte. Wer das heutige China verstehen will, tut gut daran, seine Vergangenheit zu kennen», sagt Martin Dusinberre, Professor für Global History an der Universität Zürich. Nun liefert die neue Podcast-Serie «15past15» die Gelegenheit, auf kurzweilige Art und Weise mehr über Chinas Geschichte zu erfahren. Die Podcasts thematisieren, wie und von wem die Vergangenheit gemacht wird. Der Ostasien-Experte Dusinberre hat die Serie gemeinsam mit der Postdoktorandin Birgit Tremml-Werner konzipiert. 14 Wissenschaftlerinnen und Wissenschafler, die in Europa, Kanada und in den USA ostasiatische und globale Geschichte unterrichten, sprechen über ihre aktuellen Forschungsprojekte. Wem die Geschichte Ostasiens noch nicht so vertraut ist, erhält in kurzer Zeit einen Einblick in komplexe Zusammenhänge.
Die Gespräche drehen sich um diverse Aspekte der Geschichte Chinas, Japans und Taiwans – vom 16. Jahrhundert bis heute. Zur Sprache kommen etwa die Interpretation des Konfuzianismus in Europa und in Ostasien, Chinas Verhältnis zum Imperialismus, die Rolle der Frau in der ostasiatischen Geschichte, die Auffassung von Zeit, die Anfänge der modernen Geschichtsschreibung in Japan oder Japans Selbstdarstellung auf Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. Ein durchgehendes Thema ist die Bedeutung von «Geschichte» im ostasiatischen Raum.
Hörerinnen und Hörer erfahren, dass die Menschen in Ostasien ein anderes Verständnis von Geschichte und Geschichtsschreibung haben, als wir in Europa annehmen: «Vereinfacht gesagt, widmete sich die Geschichtsschreibung in Ostasien bis ins 19. Jahrhundert allein der Entstehung und Entwicklung der jeweils herrschenden Dynastie. Als zum Beispiel die Qing-Dynastie die Ming-Dynastie ablöste, schrieb sie deren Vergangenheit nach ihrem Gutdünken um und verfasste eine neue Geschichte zur Legitimation der eigenen Herrschaft», erklärt Dusinberre. Im Gegensatz dazu sei die europäische Historiographie im 19. Jahrhundert auf lineare Art und Weise erfolgt. «Die neue Geschichtsschreibung in Europa orientierte sich am Fortschritt in der Welt; dazu kam, dass es den entstehenden Nationalstaaten darum ging, sich über Geschichtsschreibung zu legitimieren», resümiert der UZH-Professor.
Nach dem Ersten Opiumkrieg (1839-42), den China gegen die Briten verlor, stieg Grossbritannien zur imperialen Grossmacht in Ostasien auf und China musste seine Märkte öffnen. «Unter dem Druck der europäischen Expansion und der drohenden Kolonialisierung sah sich Ostasien gezwungen, sich mit Europa und seiner gesellschaftlichen Entwicklung auseinanderzusetzen», betont Dusinberre.
So war es zum Beispiel auch in Japan. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war China für Japan das Zentrum der Welt. Die Herabwürdigung Chinas und Grossbritanniens führende Position in der Weltwirtschaft veranlassten die japanische Regierung, sich mit dem internationalen Recht und den politischen Theorien aus Europa auseinanderzusetzen. «Viele Intellektuelle lernten deshalb europäische Sprachen», sagt Dusinberre. Der erste Geschichtsprofessor, der ab 1887 an der Universität Tokio unterrichtete, war ein Deutscher. «Die europäische Historiographie beeinflusste die Art und Weise, wie am Ende des 19. Jahrhunderts in Ostasien Geschichte geschrieben wurde», fasst Dusinberre zusammen.
Im letzten Podcast aus der 15-teiligen Serie erfahren Hörerinnen und Hörer, wie Japans Auseinandersetzung mit Europa die europäische Sichtweise auf Japan prägte. An den Weltausstellungen präsentierte sich Japan als modernes und gleichzeitig traditionsbewusstes Land. Dusinberre spricht hier vom strategischen Einsatz der «soft Power»: «Japan wollte sich den europäischen Mächten gegenüber nicht als Bedrohung zeigen, sondern betonte seine sanfte Seite». Diese aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bilder Japans seien sehr einflussreich. «Noch heute verbinden angehende Japanologie-Studierende das Land vor allem mit Kirschblüten, edler Keramik, Teehäusern, Manga, Architektur und Interior Design», sagt Dusinberre.