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«Männer haben's schwer, nehmen’s leicht / Aussen hart und innen ganz weich» – so tönt es in Herbert Grönemeyers Achtzigerjahre-Hit. Inzwischen ist die harte Schale weicher geworden. «Den schweigsamen, einsamen Cowboy gibt’s nicht mehr», erklärte Pflegewissenschaftler Frank Luck vom Zentrum Gender Studies in Basel auf dem Podium an der UZH.
Die Männer hätten gelernt, «offen über ihre Gesundheit, ihren Körper und ihre Gefühle zu reden», so Luck. Verantwortlich für diese Entkrampfung seien vor allem die Väter: Ihr Verhalten präge das Selbstverständnis der Söhne.
Angesprochen auf die auffälligen Trends zur Stilisierung und Ästhetisierung des Männerkörpers, erklärte Luck, dass der Körper als «Verhandlungs- und Gestaltungsraum» für die Konstruktion neuer Geschlechter-Identitäten eingesetzt würde. Nachdem das traditionelle Männlichkeitsideal seine dominierende Stellung verloren habe, sei heute ein Nebeneinander unterschiedlicher Rollenmuster zu beobachten. Luck sprach von einer «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen»: Neue Formen setzten sich durch, ohne die alten ganz zu verdrängen.
Konflikte zwischen den verschiedenen Erwartungen, die an das Mann-Sein geknüpft werden, sind vorprogrammiert. Der Wunsch zum Beispiel, sich als Vater aktiv an der Erziehung zu beteiligen, steht häufig im Widerspruch zur nach wie vor attraktiven Rolle des Ernährers. Die Kompromisslösung, zugunsten der Familie das Arbeitspensum zu reduzieren, werde zwar von vielen Männern erwogen, aber von relativ wenigen in die Tat umgesetzt, sagte Diana Baumgarten von der TU Dortmund. Hauptgrund dafür sei die Angst, beruflich ins Hintertreffen zu geraten.
Männer seien zwar heutzutage sensibilisiert für das Thema Gleichstellung, mehrheitlich aber trotzdem nicht dazu bereit, einschneidende Konsequenzen zu ziehen. «Die Familie hat nicht den Stellenwert, dass Männer deswegen auf ihre Karriere zu verzichten», sagte die Soziologin.
Im internationalen Vergleich ist in der Schweiz die traditionelle Unterscheidung zwischen typischen Männer- und typischen Frauenberufen immer noch recht lebendig. Noch immer dominiert die Vorstellung, technische Tätigkeiten seien etwas für Männer und soziale Tätigkeiten etwas für Frauen, erklärte Karin Schwiter, die als Geografin an der UZH forscht. Insbesondere junge Leute im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren hätten bei der Berufswahl einen sehr engen Blick.
In einer preisgekrönten Studie konnte Schwiter zeigen, dass junge Männer, die zum Beispiel eine Ausbildung als Krankenpfleger oder Erzieher machen und sich damit beruflich in traditionell weibliche Domänen vorwagen, in ihrem sozialen Umfeld vergleichsweise wenig Wertschätzung für ihre Berufswahl erwarten können. Sie hätten mit dem Vorurteil zu kämpfen, wegen Leistungsdefiziten in einem geschlechtsuntypischen Beruf gelandet zu sein.
Dieses Vorurteil konnte Schwiter in ihrer Studie widerlegen. Sie erbrachte den Nachweis, dass junge Männer, die einen für ihr Geschlecht untypischen Beruf gelernt haben, im Durchschnitt sogar die besseren Schulnoten vorweisen können als ihre Altersgenossen, die einen konventionellen Weg gegangen sind.
Der Wiener Historiker Wolfgang Schmale überraschte auf dem Podium mit der Aussage, dass die heute als traditionell angesehenen Geschlechtsidentitäten erst in der Zeit der Spätaufklärung – also im späten 18. Jahrhundert – fixiert worden seien. Dem weisshäutigen europäischen Mann sei damals die Rolle des Natur-Beherrschers zugeordnet worden, der Frau die Rolle des Natur-Seins. Diese geschichtlich vergleichsweise jungen Vorstellungen hätten sich als ausserordentlich stabil erwiesen.
Die Einschätzungen dazu, wie akut derzeit die Gefahr eines Rückfalls in diese überholten Identitätsmuster sei, gingen auf dem Podium auseinander. Wolfgang Schmale sagte, Gestalten wie Putin oder Trump demonstrierten, wie gross die Verführungskraft des «hegemonialen Männlichkeitsmodells» gerade in Phasen tiefgreifender gesellschaftlicher und technologischer Umwälzungen sei. Vertraute Denk- und Identitätsmuster böten sich in orientierungslosen Zeiten als Rückversicherung an.
Karin Schwiter entgegnete, sie habe in ihrer Forschung bislang keine Hinweise auf einen «Backlash» gefunden: Junge Leute in der Schweiz seien in aller Regel froh darüber, dass sie durch überkommende Rollenmuster nicht mehr eingeengt würden.