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Da ist der freche Neueinsteiger: Wie sie das neue Jugendwort «merkeln» finde, das für «nichts tun, nichts sagen und keine Entscheidung treffen steht», fragte Tilo Jung letztes Jahr Angela Merkel in der Bundespressekonferenz. Das nehme sie «emotionslos zur Kenntnis», entgegnet die Kanzlerin in ihrer nüchternen Art, wie man sich im Youtube-Filmchen anschauen kann, das der preisgekrönte Jungreporter auf seinem Webkanal «Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte» flugs online stellte. Der Mann weiss, wie man mit Infotainment Klicks generiert.
Und da sind die Etablierten im Informationsbereich wie das «Echo der Zeit», ein Flaggschiff von Radio SRF, die Jass-Sendungen von TV SRF und andere Dauerbrenner im Unterhaltungsbereich. Oder die Auflagenbolzer wie das deutsche Magazin «Landlust», eine der wenigen geglückten Neulancierungen im Printbereich in den letzten Jahren.
Was aber macht den Erfolg oder Misserfolg von Medienprodukten aus? Diese Frage ergründeten Publizistikwissenschaftler der UZH in einer breit angelegten Umfrage unter Medienmanagern. Analysiert wurden nicht nur neue und erneuerte Formate oder Dauerbrenner, sondern auch auffällige Misserfolge. Mehr als zwanzig Medienformate kamen schliesslich in die Auswahl des Teams um Marcel Verhoeven, Christoph Sommer, Isabelle Krebs, Björn von Rimscha und Gabriele Siegert vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IPMZ). Dazu gehörten TV-Serien wie «Der Bestatter», Onlinemedien wie Watson.ch, Sachbuch-Bestseller wie «Tagebuch der arabischen Revolution» von Karim El-Gawhary oder Kinofilme wie «Fack ju Göhte».
Die Forscher interviewten die jeweiligen Medienmanager zur Frage, auf welche Faktoren sie den Erfolg ihres Produkts zurückführen. Dann prüften sie, wie weit sich die einzelnen Punkte auch für die Medienmanager der anderen Produkte als relevant erwiesen. Das heisst, sie schauten sich an, ob sich zum Beispiel das Ergebnis aus der Mediengattung Sachbuch abstrahieren lässt.
«Wir haben zehn Bausteine für Erfolg identifiziert, die aus mehreren Faktoren bestehen und in einem bestimmten Mass für alle Medien gültig sind», sagt Marcel Verhoeven von der IPMZ-Abteilung Medienökonomie. So wie die Mediengattungen in den heutigen Zeiten der Konvergenz verschmelzen, erweisen sich auch die relevanten Faktoren als zunehmend allgemeingültig, manche davon gelten auf einer Kinoleinwand ebenso wie für ein Printmagazin oder eine Radiosendung.
Die Filmindustrie setzt sich mit solchen Fragen wohl am intensivsten auseinander – Hollywood lässt grüssen. «Da wird anhand von Blockbustern untersucht, welchen Stellenwert das Gesamtbudget, die mitspielenden Stars oder das Budget für die Werbung im besonderen haben», so Christoph Sommer.
Verhoeven erläutert den Zusammenhang mit einem Beispiel. Ein Blockbuster hebe nur dann ab, wenn er in einer ausreichenden Zahl von Kinosälen lanciert werde: «Was beim Film die Zahl der Kinos ist, in denen er gespielt wird, ist bei einem Printmagazin der Kiosk. Das Magazin muss an einer ausreichenden Zahl von Verkaufsstellen erhältlich sein, sonst kann man sich den Erfolg bei einer breiten Leserschaft gleich abschminken.» Für Nischenprodukte hingegen, die von der vermehrten Fragmentierung des Publikums profitieren, erweist sich eine sehr gezielte Vermarkung und Distribution als unabdinglich.
In einem nächsten Schritt überprüften die Forschenden die von den Medienmanagern identifizierten Erfolgsfaktoren quanitativ auf ihre Bedeutung, wozu sie derzeit den Schlussbericht verfassen. Ziel des vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Projekts ist die Entwicklung einer Art Checkliste, vergleichbar vielleicht mit jenen Modellen, die Startups die ersten Schritte erleichtern wollen. Die Checkliste liesse sich als hilfreiches Raster nutzen, wenn jemand ein neues Produkt auf den Markt bringen will. Ebenso könnte sie dienlich sein als Referenzsystem für weiterführende Untersuchungen, wenn ein Verlag ein bestehendes Medienprodukt weiterentwickeln oder umpositionieren möchte oder wenn jemand ein Produkt evaluieren und mit anderen vergleichen will.