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Wer Medikamente gegen resistente Bakterien entwickeln will, braucht einen langen Atem. Im Sportlerjargon gesprochen sind vor allem Ausdauer- und weniger die Sprinterqualitäten gefragt.
Erik Böttger, Professor für Medizinische Mikrobiologie und Leiter des gleichnamigen Instituts der UZH, weiss das zur Genüge: Seit nunmehr zehn Jahren beschäftigt er sich mit der Substanzklasse der Aminoglykoside, die das Wachstum von Bakterien hemmen.
Viele dieser Stoffe weisen zwar mit der Ototoxizität eine unerwünschte Nebenwirkung auf, das heisst eine irreversible Schädigung des Gehörs. 2012 fand Böttger zusammen mit Forscherkollegen aber heraus, dass das Aminoglykosid Apramycin diese schwerwiegende Nebenwirkung nicht hervorruft. Dieser Stoff wird bis jetzt in der Veterinärmedizin eingesetzt.
Nun folgt der nächste Schritt: Die Zusammenarbeit mit der Innovative Medicines Initiative (IMI), einer Public Private Partnership zwischen der Europäischen Kommission und dem europäischen Pharmaverband EFPIA, mit einem Gesamtbudget von 3,27 Milliarden Euro. «Wir sind Projektpartner des Enable-Konsortiums», freut sich Böttger.
Mitte Mai 2016 wurden die Verträge mit dem Konsortium unterschrieben, das im Rahmen der IMI die Entwicklung neuer Antibiotika fördert und bei der Weiterentwicklung von Apramycin und anderen Aminoglykosiden zu brauchbaren Medikamenten hilft. Beteiligt am Konsortium sind zahlreiche Universitäten und Forschungsinstitute sowie die pharmazeutische Industrie.
Neue Substanzen sind dringend gesucht. Wegen resistenten Bakterien haben in den letzten Jahren immer mehr Antibiotika ihre Wirkung verloren und hartnäckige Multiresistenzen breiten sich aus. Oft fehlen den Ärzten wirksame Präparate und der Nachschub aus den Labors der Pharmafirmen stockt. Laut einem aktuellen Bericht der britischen Behörden sterben in den USA und Europa jährlich 50'000 Menschen wegen Antibiotika-Resistenzen, weltweit sind es um ein Vielfaches mehr.
Das Enable-Programm ist die europäische Antwort auf diese Notlage, in der Schweiz startet demnächst das Nationale Forschungsprogramm Antimikrobielle Resistenz des Schweizerischen Nationalfonds.
Die von Erik Böttger in Zusammenarbeit mit Andrea Vasella von der ETH Zürich und David Crich von der Wayne State University bearbeiteten Aminoglykoside sind gegen verschiedenste Bakterien wirksam und entsprechen den Zielsetzungen des Programms. «Die Initianten von Enable kamen auf uns zu, weil sie in Apramycin ein grosses Potential als Mittel gegen multiresistente Krankheitserreger sehen», sagt Böttger.
Da der Weg vom vielversprechenden Wirkstoff-Kandidaten zum kommerziellen Medikament aufwändig und vor allem teuer ist, wurden sich die Partner schnell einig. Enable engagiert sich während der nächsten Phase mit einem namhaften Millionenbetrag. In zwei bis drei Jahren sollen die pharmakologischen und toxikologischen Untersuchungen vorliegen.
Wenn in diesen Studien keine negativen Überraschungen auftreten, ist der Wirkstoff parat für die klinischen Studien am Menschen. Dann muss der Wirkstoff zeigen, wie gut verträglich und wirksam er ist. Böttger rechnet nicht mit unerwünschten Überraschungen, da die Substanzklasse der Aminoglykoside sehr gut pharmakologisch untersucht ist.
Darüberhinaus konnten seine Vorarbeiten die Ototoxizität von Apramycin ausschliessen. «Ich rechne nicht mit Problemen. Sollten sie aber wider Erwarten auftreten, haben wir noch alternative Substanzen in der Hinterhand», sagt der Mediziner und Mikrobiologe.
Für die Durchführung der klinischen Studien und die Kommerzialisierung bis zu entsprechenden Medikamenten hat der Forscher mit drei Kollegen vor kurzem die Firma Juvabis GmbH gegründet. «Unitectra hat uns sehr geholfen, diesen Start-up auf die Beine zu stellen», sagt Böttger.
Unitectra ist die Technologietransfer-Organisation der Universitäten Zürich, Basel und Bern und berät Forschende und Universitäten bei Firmengründungen. Somit ist alles parat für den letzten Streich, das Enable-Konsortium hat bereits drei Viertel der Kosten für die klinischen Studien zugesichert.
Läuft alles wie gewünscht, könnte das neue Antibiotikum in rund fünf Jahren auf den Markt kommen. Im Vergleich zur bisherigen Zeit, die Erik Böttger und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Forschung gesteckt haben, ein kurzer Abschnitt. Seine Ausdauer bis zum Finish reicht noch.