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Rückenleiden sind ein alltägliches Problem, bei Hunden genauso wie bei Menschen. «Die Belastung und die Abnützung der Wirbelsäulen-Bandscheiben ist bei beiden erstaunlich ähnlich», sagt Veterinärchirurg Luc Smolders. In seiner Forschung über die Bandscheiben-Degeneration bei Hunden tauscht er sich deshalb auch mit Humanmedizinern aus: «Wir extrapolieren unsere Forschungsresultate, damit sie auch die Humanmedizin nutzen kann – und umgekehrt.» Dieser «One Health» genannte Ansatz, der in Fachkreisen immer mehr Anhänger findet, will disziplinäre Grenzen mit einer umfassenden Gesundheitsstrategie für Menschen, Tiere und Umwelt überwinden.
Einzelne Hunderassen sind nach Luc Smolders Erfahrung für Probleme der Bandscheiben prädestiniert. Zum einen sind dies die kurzbeinigen Rassen mit relativ langem Rücken. Der Volksmund kennt den Ausdruck «Dackellähme», weil diese Hunde oft unter degenerierten Bandscheiben leiden, die Lähmungen auslösen können. Doch Dackel und ähnlich gebaute Hunde wie Bulldoggen, Bassets und der amerikanische Cocker Spaniel leiden nicht etwa wegen ungünstigen Proportionen unter diesen Symptomen, sondern wegen züchtungsbedingter Gendefekte. Diese lassen ihre Bandscheiben oft schon nach dem ersten Lebensjahr degenerieren.
Bei anderen Rassen, wie zum Beispiel dem Deutschen Schäfer oder dem Dobermann, führt tatsächlich ihre Anatomie zu einer abnormalen Belastung der Bandscheiben. Diese nutzen deshalb rascher ab und können Probleme verursachen. Weil Bandscheiben kaum Blutgefässe und relativ wenige Zellen enthalten, können sie sich nicht wie andere Körpergewebe regenerieren. Die Schäden sind deshalb kaum reversibel. «Die Prozesse, die zur Degeneration führen, sind jedoch noch wenig erforscht», erklärt Smolders. Zum Beispiel weiss man bis heute nicht, welche und wie viele Nervenzellen die degenerierten Hundebandscheiben enthalten.
Die Doppelfunktion der Stabilisation und der Beweglichkeit macht Bandscheiben zum einem faszinierenden Körperteil. Sie bestehen aus einem äusseren, knorpelartigen Ring, der eine weiche, gallertartige Masse umschliesst und funktionieren sowohl als Puffer zwischen den einzelnen Wirbeln wie auch als Bindeglieder der ganzen Wirbelsäule.
Ein Bandscheibenvorfall kann durch die Degeneration oder auch durch einen akute, äusserliche Einwirkung ausgelöst werden. Dabei verschiebt sich die ganze Bandscheibe oder ihr innerer Kern (sie «fällt vor») und drückt auf das Rückenmark oder umgebende Nervenstränge. Dies kann starke Schmerzen oder Lähmungen hervorrufen, wodurch der Hund seine hinteren Extremitäten weder kontrollieren noch spüren kann. Viele Vorfälle können mit Medikamenten oder Physiotherapie behandelt werden. Zum Teil jedoch muss die «vorgefallene» Bandscheibe auch operativ entfernt werden, weil es sonst zu bleibenden Schäden kommt.
Im Rahmen seiner Forschung widmet sich Luc Smolders neuen Therapiemöglichkeiten zur Eindämmung von Rückenschmerzen bei Hunden. Zusammen mit der Molekularbiologin Karin Würtz und dem Biomechaniker Stephen Ferguson von der ETH entwickelt er neue Prototypen von Prothesen, die den natürlichen Bandscheiben nachempfunden sind. Sie bestehen aus mikroskopischen Gerüststrukturen, in denen Zellen zu einem starken, flexiblen Gebilde heranwachsen.
Ein weiteres Forschungsfeld von Luc Smolders sind Katzenwirbelsäulen. Insbesondere erhofft er sich eine Antwort auf die Frage, weshalb Katzen kaum unter Bandscheiben-Degeneration leiden, obwohl auch sie teilweise extremen Belastungen ausgesetzt sind. «Die Interspezies-Forschung ist noch in den Kinderschuhen», sagt Smolders. «Aber je mehr der One-Health-Ansatz Schule macht, desto grösser ist der Mehrwert für alle Lebewesen. Das ist die Zukunft der medizinischen Forschung.»
Inszeniert und interpretiert wird Smolders’ Forschung an der Ausstellung Transactions durch das Künstlerduo «Pause ohne Ende». Dabei steigt ein Jahrmarktsballon in Form eines Hundes, angehoben vom Luftstrom eines Ventilators, wieder und wieder gegen eine Hand mit Kauknochen auf, bloss um ohne Erfolg wieder abzusinken und erneut hochzuspringen – was im richtigen Hundeleben einer zwar spielerischen, aber andauernden Belastung der Wirbelsäule entspräche.