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UZH News

Klinischer Forschungsschwerpunkt

Schub für die Schlafforschung

Der hektische Alltag erzeugt chronischen Schlafmangel, immer mehr Leute haben Schlafprobleme. Der klinische Forschungsschwerpunkt «Schlaf und Gesundheit» der Universität Zürich sucht nach besseren Therapien für Schlafstörungen sowie einem vertieften Verständnis in die Funktionen des Schlafs. In loser Folge stellt UZH News die klinischen Forschungsschwerpunkte der Universität Zürich vor. Dieser Artikel eröffnet die Serie.
Stefan Stöcklin
Im Schlaflabor: Mit elektrischen Ableitungen wird die Schlafqualität vermessen. (Bild: Meinrad Schade)

Wer tagsüber richtig wach sein will, braucht genügend Schlaf. Die simple Feststellung kontrastiert mit den Wissenslücken zur biologischen Bedeutung und Funktion des Schlafs. Obwohl wir gut einen Drittel unseres Lebens verschlafen, hat die Wissenschaft bis jetzt keine überzeugende Theorie. Früher dachte man, der Schlaf diene dem Körper dazu, Energie zu sparen. Unterdessen hat sich herausgestellt, dass wir schlafend nicht viel weniger Kalorien verbrennen als im Wachzustand.

«Wir haben nur Erklärungsansätze»,  sagt Hans Peter Landolt, Schlafforscher am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UZH. Sicher ist hingegen: Schlafmangel macht krank. Es erstaunt deshalb nicht, dass in der Bevölkerung Schlafstörungen parallel zur abnehmenden Schlafdauer häufiger werden. Die durchschnittliche Schlafdauer in der Schweiz hat gemäss einer repräsentativen aktuellen Erhebung in den letzten drei Jahrzehnten um 38 Minuten auf siebeneinhalb Stunden abgenommen.

Neue Möglichkeiten der Schlafforschung

Hans Peter Landolt ist Schlafforscher aus Berufung, das Thema beschäftigt ihn seit Jahren. Die Wissenslücken sind für den Co-Leiter des klinischen Forschungs-schwerpunktes «Schlaf und Gesundheit» (siehe Kasten 1 am Schluss des Artikels) eher Ansporn als Abschreckung. Aufgrund neuer molekulargenetischer Erkenntnisse und Methoden eröffnen sich faszinierende Möglichkeiten, um dem Schlaf, einem der letzten grossen Geheimnisse der Biologie, auf die Schliche zu kommen. Wie Landolt ausführt, befinden sich die UZH und ihre Kliniken mit ihrem breiten Spektrum verschiedener Disziplinen von der Molekulargenetik und Pharmakologie über die Neurologie und Psychiatrie bis zur Pneumologie und Pädiatrie in einer ausgezeichneten Ausgangslage, um neue und entscheidende Beiträge zu leisten.

Auch dank dem Nobelpreisträger Walter Rudolf Hess, der sich in den 1940er Jahren mit dem autonomen Nervensystem beschäftigte, hat die Schlafforschung an der UZH eine lange Tradition. Die geballte Forschungskraft zeigt sich im kürzlich gegründeten Zentrum für interdisziplinäre Schlafforschung ZiS (siehe zweiten Kasten).

Botenstoffe regulieren Schlafbedürfnis

Ein Fokus des klinischen Forschungsschwerpunktes «Schlaf und Gesundheit» bildet die körpereigene Regulation des Schlaf-Wach-Zyklus. Wie bekannt, beeinflussen sowohl äussere wie auch innere Faktoren die biochemischen Vorgänge, die den Körper in den bewusstlosen Schlafzustand führen. Mit Ableitungen der Hirnströme können Physiologen die unterschiedlichen Schlafphasen messen und die Schlafqualität bewerten. «Wir haben heute die Möglichkeiten, die komplexen Wechselwirkungen zu entschlüsseln», sagt Landolt.

Als Pharmakologen interessieren ihn besonders die Wirkungen verschiedener Biomoleküle und ihrer Genvarianten. Dazu gehört zum Beispiel der schlaffördernde Botenstoff Adenosin. Der Neuromodulator erhöht je nach Konzentration den Schlafdruck und spielt offenbar eine wichtige Rolle im Schlaf-Wach-Zyklus. Hält man sich vor Augen, dass der Botenstoff über Rezeptoren auf den Nervenzellen wirkt und dass Enzyme den Auf- und Abbau des Modulators regulieren, wird klar, dass die Adenosin-Wirkung von der Genetik abhängt. Es ist somit nicht überraschend, dass es individuelle Unterschiede gibt.

Dem Schlaf auf der Spur: Hans Peter Landolt. (Bild: zVg)

Eine besonders auffällige Eigenheit verschiedener Menschen hängt direkt vom Adenosin-Stoffwechsel ab: die Wirkung von Koffein auf den Schlafdruck. Bekanntlich gibt es Leute, die spätnachts noch einen doppelten Espresso vertragen, während andere bereits Stunden vor dem Zubettgehen auf Kaffee verzichten müssen. Landolt und seine Forscherkollegen konnten 2012 zeigen, dass diese Empfindlichkeit auf Genvarianten des Adenosin-Rezeptors beruht und damit erblich ist. Mit Genanalysen lässt sich seither die Koffeinwirkung prognostizieren.

Schützt Kaffee vor Diabetes?

Im Rahmen des Forschungsschwerpunktes möchte Landolt die Erkenntnisse zum Muntermacher weiter vorantreiben. «Koffein hat widersprüchliche Wirkungen hinsichtlich des grassierenden Diabetes Typ 2», sagt der Pharmakologe. Die immer häufiger auftretende Insulinresistenz kommt nach Koffeineinnahme im Labor und bei Kurzschläfern häufiger vor. Gleichzeitig lassen epidemiologische Erhebungen vermuten, dass Koffein auch vor Diabetes schützt.

Landolt vermutet, dass diese gegensätzlichen Effekte auch von genetischen Varianten der Adenosin-Rezeptoren und der Abbau-Enzyme abhängen. «Wir möchten die molekulargenetischen Grundlagen dieser Unterschiede verstehen und in Studien klären», sagt der Pharmakologe. In weiteren Untersuchungen macht sich Landolts Gruppe auf die Suche zusätzlicher Genvarianten, die in die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus involviert sind. Dazu gehören auch die Gene der Botenstoffe Dopamin und Glutamat und ihrer Rezeptoren sowie noch neue, zu entdeckende Gene.

Black-Box entschlüsseln

«Wir betreiben Grundlagenforschung an der Schnittstelle zur Klinik», sagt Landolt. Ziel des Forschungsschwerpunkts ist es zwar in erster Linie, verbesserte und individualisierte Therapien für Menschen mit Schlafstörungen zu entwickeln. Aber profitieren wird auch das Verständnis generell:  Die Arbeiten bringen mit Sicherheit neue Einsichten in die Geheimnisse des Schlafs: «Wir entschlüsseln die Black-Box schrittweise», ist Landolt überzeugt.