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Konferenz des Ethik-Zentrums

Neue Wege zum Frieden

In Konflikten wie jenem in Syrien stösst die klassische Diplomatie an ihre Grenzen. Das Ethik-Zentrum der UZH lädt Mitte November zu einer Konferenz über alternative Ansätze der Konfliktlösung. Zu den Referierenden wird die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee gehören.
Adrian Ritter

Wird an der Konferenz berichten, wie sie es während des Bürgerkrieges in Liberia schaffte, eine Frauen-Friedensbewegung aufzubauen: Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee. (Bild: Nobelprize.org)

UZH News: Christine Schliesser, Sie sind als Theologin am Ethik-Zentrum der UZH tätig und organisieren mit der Universität Jena die Konferenz zu alternativen Ansätzen der Konfliktlösung. Inwiefern sind diese Ansätze alternativ?

Schliesser: Es geht um nicht-militärische Ansätze, Konflikte zu vermeiden, zu lösen – und den Frieden längerfristig zu sichern. Alternativ sind diese Ansätze insofern, als sie über die klassische Diplomatie hinausgehen und etwa von der Zivilbevölkerung ausgehen oder diese mit einbeziehen. Wir werden an der Konferenz Ansätze aus vier Bereichen diskutieren: Verhandlung, Religion und Gender, Kunst sowie Versöhnung nach Konflikten.

Sind das theoretische Ansätze?

Wir haben Ansätze ausgewählt, die sich in der Praxis schon bewährt haben – etwa eine Nichtregierungsorganisation, die hinter den Kulissen unter anderem im Syrienkonflikt zu vermitteln versucht und eine Gruppierung, der es im Bürgerkrieg in Mosambik Anfang der 1990er-Jahre gelang, ein Friedensabkommen auszuhandeln. Oder nehmen Sie das Beispiel der Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee. Sie hat es während des Bürgerkrieges in Liberia praktisch im Alleingang geschafft, eine Frauen-Friedensbewegung aufzubauen. Diese war zentral, um erste Friedensgespräche zu initiieren und schlussendlich den Präsidenten beziehungsweise Warlord Charles Taylor ins Exil zu zwingen.

Ein Beispiel für eine geschlechterspezifische Form der Konfliktlösung?

Ja, es ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass ein Konflikt enden kann, wenn Frauen sich kollektiv dem Krieg entgegenstellen. Vielleicht kann das Beispiel Schule machen. Eine palästinensische Wissenschaftlerin wird an der Konferenz berichten, wie sie versucht, mit Unterstützung von Leymah Gbowee eine ähnliche Frauenbewegung von Israelinnen und Palästinenserinnen aufzubauen.

Welche Rolle kann die Religion bei der Konfliktbewältigung spielen?

Religion wird oft einseitig als konfliktfördernd betrachtet, etwa mit Verweis auf die historischen Kreuzzüge der Christen oder den militanten Islamismus der Gegenwart. Aber jede Religion kann auch eine konfliktventschärftende und eine friedensfördernde Rolle spielen. Die Botschaft der Versöhnung und Nächstenliebe im Christentum wie auch die Barmherzigkeit im Islam sind grosse Ressourcen, die sich in der Friedensarbeit als sehr konstruktiv erweisen können. Das gilt es zu nutzen.

«Es wäre sinnvoll und nötig, alternative Strategien der Konfliktlösung mit einzubeziehen»: Konferenz-Organisatorin Christine Schliesser vom Ethik-Zentrum der UZH. (Bild: Adrian Ritter)

Wo gelingt das schon?

An der Konferenz wird das Beispiel der Versöhnung zwanzig Jahre nach dem Genozid in Rwanda diskutiert. Die Kirche im überwiegend christlichen Land spielt dabei eine zentrale Rolle – etwa, indem sie Mediatoren ausbildet, die erfolgreich Kontakte zwischen den damaligen Tätern und den Opfern und deren Angehörigen herstellen. Das ist heute noch wichtig, weil derzeit Verurteilte mit langen Strafen aus den Gefängnissen in ihre Dörfer zurückkehren. Die Kirchen und der christliche Glaube können helfen, Hass und Angst auf beiden Seiten zu überwinden. Eine von der Regierung verordnete Versöhnungspolitik scheint mir letztlich weniger nachhaltig als die aus dem Glauben gespiesene Kraft der Nächstenliebe, zu der auch der Verzicht auf Rache gehört.

Sie forschen am Ethik-Zentrum selber zum Versöhnungsprozess in Rwanda. Welcher Frage gehen Sie dabei nach?

Ich untersuche, welche Rolle Erinnerungen bei der Versöhnung spielen. Erinnerungen können hinderlich sein, indem sie die Menschen in Rachegedanken verharren lassen. Für die traumatisierten Überlebenden ist es wichtig, Erinnerungen emotional ausdrücken zu können. In der Kultur Rwandas ist es verpönt, Gefühle öffentlich zu zeigen – ausser im religiösen Kontext. Deshalb können Gottesdienste genutzt werden, traumatische Erlebnisse etwa bei Tänzen oder Liedern zu verarbeiten. Der Kirche kommt in Rwanda daher eine grosse Rolle beim Versöhnungsprozess zu.

Was erwarten Sie sich von der Konferenz?

Die Konferenz möchte nicht-militärische Ansätze der Konfliktlösung in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft bekannter machen und konkrete Konfliktlösungsstrategien erarbeiten. Mit Blick auf festgefahrene Konflikte wie etwa in Syrien oder der Ukraine wäre es sehr sinnvoll und nötig, alternative Strategien der Konfliktlösung mit einzubeziehen.

Wer forscht in Zürich zum Thema Konfliktlösung?

Es sind nicht wenige. An der UZH wird am Ethik-Zentrum, in der Rechtswissenschaft – Stichwort Völkerrecht – oder in der Ökonomie – Stichwort Verhandlungstheorien – zur Konflitklösung geforscht. An der ETH Zürich wiederum besteht der neue Lehrstuhl für Verhandlungsführung und Konfliktmanagement von Alt-Staatssekretär Michael Ambühl und das Center for Security Studies, CSS. Die Konferenz hat unterem anderem zum Ziel, die Forschenden miteinander zu vernetzen. Die Voraussetzungen sind gut, dieser Art von Forschung in Zürich mehr Gewicht zu verleihen. Mein Traum ist, längerfristig ein interdisziplinäres Center for Conflict Resolution Studies ins Leben zu rufen.

Weiterführende Informationen

Hinweis

Dem Thema Konflikte und Konfliktlösung ist auch eine Veranstaltung des UBS International Center of Economics in Society am 16.11.2015 gewidmet.