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Graduate Campus

Fünf Hörstücke über Liebe und Arbeit

Im Schauspielhaus läuft zur Zeit René Polleschs Stück Love/No Love. Parallel dazu geben Wissenschaftlerinnen der Universität Zürich in Form von Audioinstallationen Einblicke in Forschungsarbeiten zu Themen wie Leihmutterschaft und Altenpflege.
Alexandra Bröhm
Hören und diskutieren die Audiobeiträge über ihre Arbeit: Nachwuchsforschende der UZH vor der Audioinstallation im Schiffbau. (Bild: Frank Brüderli)

Theorie und Spektakel gehen beim Theaterautor und Regisseur René Pollesch Hand in Hand. Seine Stücke sind wahre Ideenfeuerwerke. Seine neuste Produktion am Schauspielhaus Zürich wird von einer Audioinstallation über Forschungsprojekte der Universität Zürich begleitet . Sie sind im Foyer des Schiffbaus installiert. Konzipiert hat das Projekt der Graduate Campus der Universität Zürich.

«Für die Verbindung von Forschung und Kunst eignen sich Polleschs Stücke hervorragend», sagt Projektleiterin Katharina Weikl. «Pollesch behandelt aktuelle Themen und beschäftigt sich mit Theorien und gesellschaftlichen Strukturen.»

Bereits letztes Jahr hatte der Graduate Campus ein Begleitprogramm mit Audioinstallationen am Schauspielhaus organisiert, damals zum Stück «Über Tiere» von Elfriede Jelinek. «Das Projekt war für alle Beteiligten bereichernd und stiess beim Publikum auf Resonanz, weshalb wir dieses Jahr auf die Idee zurückgekommen sind», sagt Weikl.

Das Stück des Theaterautors und Regisseurs René Pollesch heisst Love/No Love. Und um Liebe geht es im weitesten Sinne auch in den fünf Forschungsarbeiten, die Wissenschaftlerinnen der Universität Zürich in den fünf begleitenden Audioinstallationen vorstellen.

Die Hörbeiträge sind während der ganzen Spielzeit von René Polleschs Stück Love/No Love zugänglich. (Bild: Frank Brüderli)

Herzliche Polinnen

Die Geographin Karin Schwiter ist gleich mit zwei Tonfiles vertreten. «Altenbetreuung zwischen Labour und Love» ist ein Gemeinschaftsprojekt, das im Rahmen der Arbeitsgruppe Geographien der Arbeit und Migration entstanden ist. Darin untersuchen die Forscherinnen um Karin Schwiter, wie Agenturen funktionieren, die Osteuropäerinnen zur Altenpflege in die Schweiz vermitteln.

«Das Hörstück diskutiert, was geschieht, wenn sich diese Arbeit, die früher meist unbezahlt 'für Liebe' gemacht wurde, in eine bezahlte Erwerbsarbeit verwandelt», sagt Karin Schwiter. Auffallend sei dabei, wie die Pflegerinnen aus Ungarn oder Polen mit jenen Fähigkeiten beworben würden, die man früher vor allem der Hausfrau in der bürgerlichen Kleinfamilie zuschrieb. Die Osteuropäerinnen werden als besonders herzlich und familienorientiert charakterisiert.

«Diese Eigenschaften werden immer jener Kultur zugesprochen, aus der die Frauen stammen, die diese Aufgabe gerade vor allem übernehmen.» Sind es momentan also die Polinnen, die als besonders liebevoll und zuverlässig, gelten, sind es vielleicht schon morgen die Bulgarinnen oder Thailänderinnen.

Liebe und Markt

Einen besonderen Geschäftszweig behandelt auch Carolin Schurr in ihrer Forschung. Wie Schwiter ist sie Geographin und setzt sich mit einem Thema auseinander, das stark mit Liebe verknüpft ist – und gleichzeitig ein grosses Geschäft darstellt. Schur analysiert den internationalen Markt für Leihmütter.

Leihmutterschaft ist in der Schweiz nicht erlaubt, trotzdem gibt es auch Schweizer Paare, die sich, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind, im Ausland nach dieser Möglichkeit umsehen. «Ich gehe bei meinen Forschungen der Frage nach, was passiert, wenn ein Bereich des Lebens, die Reproduktion, die lange Zeit ausserhalb der Grenzen des Marktes lag, Teil von marktförmigen Beziehungen wird», sagt Schurr.

Beim Kinderwunsch der Paare gehe es immer um die Liebe zum eigenen Kind und die Sehnsucht nach einem glücklichen Familienleben. Diese Liebesgefühle stünden im krassen Gegensatz zu den ökonomischen Praktiken der Kliniken und Agenturen, die zwar mit Bildern von Familien werben, denen aber es vor allem um den eigenen Profit gehe.

Wahrgenommene Forschung

Dem Eheverständnis in den 1930er-Jahren widmet sich die Historikerin Judith Grosse in ihrer Forschungsarbeit. Sie interessiert sich dafür, inwiefern die Kolonialgeschichte und aussereuropäische Vorstellungen von Beziehungen die Sicht auf das Eheleben veränderten. «Da es in meinem Projekt um die Kritik und Reform der bürgerlichen Ehe geht, spielt die Frage der Liebe eine zentrale Rolle», sagt Grosse.

Die fünf Wissenschaftlerinnen hatten Polleschs Stück noch nicht gesehen, als sie ihre Audioinstallationen produzierten. Trotzdem sind sie alle überzeugt davon, dass Forschung und Theater sich sehr gut ergänzen. «Ausserdem steht die Forschung im Dienst der Gesellschaft», sagt Schwiter. Deshalb sei es für sie alle wichtig, der breiten Öffentlichkeit Resultate präsentieren zu können. Und: «Es ist immer schön, wenn der akademischen Arbeit, die sehr einsam sein kann, Interesse von aussen entgegen gebracht wird», ergänzt Grosse.