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NCCR Mediality

Zürich spricht zu dir

Der nationale Forschungsschwerpunkt «Mediality» hat eine Stadtführung als Podcast entwickelt. Unter dem Titel «Stadtwandelung» widmet er sich der Medialität von Objekten und Geräuschen, die für gewöhnlich im urbanen Alltagsgeschehen untergehen.
Nicole Isele
Mit dem NCCR-Mediality-Podcast durch Zürich: Eine der neun Stationen führt zu den Liebesschlössern an der Mühlestegbrücke.

400.000 Einwohnerinnen und Einwohner, ein überschaubarer Stadtkern, der sich links und rechts der Limmat erstreckt und zu Fuss innert kurzer Zeit erschlossen ist: Zürich ist eine Stadt, die viele zu kennen meinen. Ein Stadtrundgang mit dem neuen Podcast «Stadtwandelung» belehrt vermeintliche Kennerinnen und Kenner eines Besseren und nimmt wohlbekannte Markenzeichen Zürichs ebenso ins Visier wie scheinbar Unauffälliges und Belangloses.

Bei den Glockenschlägen des Grossmünsters, Gelegenheitskritzeleien auf Sitzbänken und einer Sprayerei an einer Häuserfassade steht die Botschaft im Zentrum. Jede Podcast-Station ist Bedeutungsträger, wird zu einer Stimme der Stadt und erzählt dabei eine kleine Geschichte. «Stadtwandelung» spürt dem Wandel dieser «Medien» nach und vermittelt so einen neuen Blick auf den Zürcher Stadtraum.

Autorinnen und Autoren des Podcasts sind zehn Forschende aus der Geschichts-, Literatur-, Film-, Kunst-, Rechts- und Sprachwissenschaft, die im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NCCR) «Mediality» tätig sind (vgl. Kasten).

Sie untersuchten vielfältige geschichtlich geprägte Situationen und Abläufe Zürichs, in denen Medien eine Rolle spielten und spielen. «Mit Medien ist dabei nicht nur das gemeint, was wir heute unter Medien verstehen, wie etwa die Presse, die Massenmedien oder die digitalen Medien. Vielmehr interessieren alle nur denkbaren Formen, mit denen Information, Wissen und Sinn vermittelt werden“, sagt Michelle Waldispühl von der Projektleitung «Stadtwandelung». Sie war 2007 – 2011 Doktorandin im NCCR und ist seit 2012 Mitarbeiterin für die NCCR-Öffentlichkeitsarbeit.

Steakgeruch statt Süsswarenduft

Auf der etwa eineinhalbstündigen Podcast-Tour erleben die Zuhörerinnen und Zuhörer wie Stadtpläne an Tramhaltestellen, Vorhängeschlösser an der Mühlestegbrücke und das Alfred-Escher-Denkmal vor dem Hauptbahnhof zu medialen Schauplätzen mutieren – und werden selbst zu Protagonisten.

Jedes Objekt, so lehrt der Rundgang, ist eine Vermittlungsinstanz zwischen den Personen, die die Dinge geformt und in Zürich platziert haben, und uns, die sie wahrnehmen. Es lohnen ein zweiter Blick und ein zweites Hinhören, welche den Schlüssel zu einer neuen Perspektive liefern. Eine Botschaft aus dem 18. Jahrhundert kann heute eine ganz andere Aussagekraft haben, als dies damals der Fall war.

Geschichtsträchtige Fassade: Das «Haus zur Glocke» erzählt aus früheren Zeiten.

Spuren der Epochen

Station drei des Podcasts ist exemplarisch für die ganze Tour. Sie führt uns in einen verborgenen Winkel der Altstadt zum «Haus zur Glocke» in die Glockengasse. Hier, so macht der Beitrag für diese Station deutlich, wird man mit Spuren unterschiedlichster Epochen konfrontiert: Die in der Mitte der Fassade prangende Glocke im Hochrelief liest sich als Hinweis auf den Besitzer aus Zeiten des Mittelalters, den Glockengiesser und Zunftmeister der Schmiede Conrad Glockner.

Die Fenster mit den prächtigen, verschiedenförmigen Giebelfeldern sind Teil eines späteren Anbaus und verleihen dem Gebäude seine künstlerische Würde durch Verweise auf die Renaissance. Der Schriftzug in Steinlettern «Café Conditorei zur Glocke J. Usenbenz» ziert die Fassade seit den 1920er Jahren, als im Erdgeschoss eine Bäckerei eröffnet wurde.

1978 hielt hier das Steakhouse «Churrasco» Einzug. Der Schriftzug der Konditorei jedoch musste erhalten bleiben und hat seine nützlichen und kommerziellen Eigenschaften verloren. Er wird zur Spur von Geschmäckern, Düften und Personen, die nicht mehr sind. Er verspricht, was nicht eingelöst werden kann. Der Geruch von Süsswaren wurde vom Dunst gebratenen Fleisches abgelöst. Doch dem Haus ist seine Erinnerung nicht abhanden gekommen, seine Geschichte ist der Fassade eingeprägt.

Verweilen statt hetzen

Die Strecke führt weiter zum Zwingliplatz und dem Rechberggarten hinter dem Deutschen Seminar der Universität. Sie erzählt von Liebeserklärungen, dem doppelten Münster und von Harald Nägelis Undine. Der Podcast lädt ein, dort zu verweilen, wo man sonst vorbeihetzt, und bezeichnet die medialen Entwicklungen der Stadt.

Im selben Zug spiegelt er den Ansatz des Forschungsschwerpunktes „Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen“ wider, der Situationen in den Blick nimmt, in denen kommunikative Praktiken sich verändern (Medienwandel), mediale Formen Dynamisierung erfahren (Medienwechsel) und Bedingungen von Kommunikation reflektiert werden (Medienwissen). Stadtwandelung gibt eine Idee vom medialen Zugang zu Objekten zwischen gestern und heute, welcher im NCCR in diversen Teilprojekten an ganz unterschiedlichem Material angewandt wird und vermittelt dies an ein breites Publikum.

Michelle Waldispühl betont: «Der Rundgang richtet sich an eine interessierte Öffentlichkeit und ist nicht akademisch ausgerichtet.» Verschiedene Marketingaktionen ausserhalb der Universität seien geplant. «Stadtwandelung» könne auch für Besucherinnen und Touristen interessant sein. Zudem solle es in Zukunft eine Version in Englisch und eine spezielle Version für Kinder geben.

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