Navigation auf uzh.ch
Sitzungen gehören zum Berufsalltag. Doch je mehr und je länger ‚gesessen’ wird, umso kostenintensiver für das Unternehmen – vor allem, weil viele Arbeitsstunden in unproduktiven Besprechungen versickern. Aber nicht nur Arbeitgeber, auch Mitarbeitende verlassen so manches Meeting unzufrieden. Sie haben das Gefühl, vom Arbeiten abgehalten zu werden, erleben ein Meeting als Zeitverschwendung oder als Selbstdarstellung der Chefs.
Einige Firmen, wie Google zum Beispiel, haben deshalb feste Besprechungsregeln eingeführt: Kein Meeting darf mehr als zehn Teilnehmer haben. Wenn derjenige fehlt, der am Schluss die Entscheidung zu treffen hat, wird das Treffen abgeblasen. Ausserdem soll jeder Teilnehmer etwas sagen – oder sonst fernbleiben.
Doch wie steht es um die Sitzungskultur von Schweizer Unternehmen? Die UZH-Psychologin Isabelle Odermatt hat im Rahmen verschiedener Studien in mehreren Unternehmen der Schweiz schriftliche Umfragen durchgeführt. Erhoben wurde anhand verschiedener Kriterien die Zufriedenheit mit Meetings und wie deren Effizienz eingeschätzt wurde. Fazit: Zu viele Meetings, zu viel Leerlauf. Ein Beispiel: In einer aktuellen Studie bezeichnete von den 340 Befragten rund ein Drittel ihr letztes Meeting als teilweise bis überhaupt nicht zufriedenstellend.
Firmen evaluieren heute viele Arbeitsprozesse, aber kaum je Meetings. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf, denn Odermatts Analysen zur Zufriedenheit mit Sitzungen hat ergeben, dass die Befragten insbesondere Meetings als misslungen erleben, an denen keine Entscheidungen getroffen werden oder die ohne ein konkretes Ergebnis enden. Für das Scheitern werden zudem mangelnde Zielsetzungen, keine konkrete Traktandenliste, kaum Vorbereitung und ungenügende Gesprächsdisziplin der Teilnehmer sowie fehlende Konzentration genannt.
«Unzufriedenheit entsteht dann, wenn Meetings schlecht vorbereitet werden», sagt Odermatt. Ziele für die Besprechungen sollten bereits im Vorfeld festgelegt werden, alle Beteiligten müssten diese Ziele kennen. Nur so könne die Erwartung und die Zielerreichung bei Meetings in Deckung gebracht werden.
Zusätzlich müsste der zeitliche Rahmen allen Teilnehmenden bekannt sein. Ausserdem müssen die Verantwortlichen vor dem Meeting festlegen, wer notwendig an dem Meeting teilnehmen muss. «Häufig wird einfach nach dem Organigramm entschieden, wer dabei ist», sagt Odermatt. Besser sei es, Sitzungsteilnehmer nach dem jeweiligen Thema zusammenzusetzen.
Odermatt schlägt auch vor, manche Meetings im Stehen abzuhalten, anstatt im Sitzen. Eine Studie hat gezeigt, dass Sitzungen rund dreissig Prozent weniger lang dauern und dabei gleich gute Entscheidungen getroffen werden, als bei Meetings, die im Sitzen gehalten werden. Auch im bilateralen Gespräch liessen sich häufig Dinge schnell klären, stellt Odermatt fest. «Bei einigen Themen ist es besser, sie im direkten Gespräch mit einem Mitarbeiter abzuhandeln, als die ganze Arbeitsgruppe dazu zu rufen».
Zeitfresser sind meistens unendliche Diskussionen. Viele Sitzungen scheitern an der Selbstgefälligkeit der Teilnehmenden oder weil sich die Gespräche in Details verlieren. Die Kunst des Leiters oder der Leiterin sei es dann, ohne den Redner herabzusetzen, ihn zu unterbrechen und das Gespräch wieder auf Kurs zu bringen, sagt Odermatt.
Ist ein Leiter unsicher, kann es von Vorteil sein, eine Sitzung von einem externen Coach begleiten zu lassen und dessen Ratschläge zu berücksichtigen. «Oft ist es zudem sinnvoll, Informationen und Aufgaben bereits vorab zu verteilen, so dass im Meeting eine fokussierte und zielorientierte Diskussion stattfinden kann», schlägt Odermatt vor.
Bei einem Informations-Meeting, sollten die Präsentationen möglichst kurz und aussagekräftig gehalten werden, der Vortragende sollte konsequent am Thema bleiben. Bei Abschweifungen sollte ein guter Moderator immer wieder zum Thema zurückführen. «Neben einer Agenda ist eine gute Leitung Grundvoraussetzung für eine gelungene Sitzung», bilanziert Odermatt.
Ob Frauen Sitzungen anders führen als Männer ist noch eine offene Frage. Auch sei noch wenig erforscht, ob und wie sich die Sitzungskulturen in unterschiedlichen Branchen unterscheiden. «Softwaredesigner halten andere Meetings ab als zum Beispiel Sozialpädagogen», vermutet Odermatt.
Noch wenig empirisch erforscht ist auch das Sprechen über ein Meeting, nachdem es stattgefunden hat. Viele Mitarbeitende machen ihrem Ärger über den Ablauf der Sitzung Luft, indem sie lange über das Verhalten des Chefs oder anderer Sitzungsteilnehmer diskutieren. Auch diese Energie sollte kanalisiert werden, meint Odermatt und kann sich über zukünftige Arbeitsprojekte nicht beklagen.