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Literatur-Ausstellung

Ein «Nota bene» für Hölderlin

Eine neue Ausstellung im Lavaterhaus in Zürich befasst sich mit Friedrich Hölderlin und seinem Verhältnis zur Schweiz. Der schwäbische Dichter traf vor über 200 Jahren den Zürcher Pfarrer und Gelehrten Johann Caspar Lavater. Die Begegnung habe Hölderlin geprägt, sagt UZH-Germanistin und Lavater-Expertin Ursula Caflisch-Schnetzler. 
Marita Fuchs
Hatte bereits während der französischen Besatzung unter Napoleon eine feste Vorstellung vom zukünftigen Staatsgebilde der Schweiz: Friedrich Hölderlin.

Am 19. April 1791 besuchte der 21jährige Friedrich Hölderlin Zürich. Das kann die Germanistin und Lavater-Expertin Ursula Caflisch-Schnetzler anhand eines so genannten «Nachtzedels» aus dem Jahr 1791 belegen. Zürichs Gasthäuser, wie das Schwerdt, der Storchen, der Adler, Hirschen, der Raaben oder Leuen wurden damals jeden Abend von einem Angestellten der Stadt kontrolliert. Er protokollierte, welche Fremden sich in Zürich aufhielten. Die Bürger Zürichs wollten in unruhigen Zeiten – es war kurz vor dem Einmarsch der Truppen Napoleons – genau wissen, wer vor Ort weilte.

Heute sind diese «Nachtzedel» in der Zentralbibliothek in Zürich archiviert. Bei Durchsicht der Zettel stiess Ursula Caflisch-Schnetzler auf den Namen Hölderlin. Er  übernachtete demnach vom 18. auf den 19. April und vom 19. auf den 20. April 1791 im «Raaben». Eine Tatsache, die bisher in der Hölderlinforschung unbekannt war.

Beweis für Hölderlins Aufenthalt im «Raaben»: Auf einem so genannten «Nachtzedel» wurden alle Übernachtungsgäste in Zürich vom 18. April 1791 aufgeführt. 

Wie im Bienenstock

Der Dichter war nicht als Tourist unterwegs, sondern besuchte den viel älteren und berühmten Pfarrer und Gelehrten Johann Caspar Lavater. Das belegt Lavaters Gästebuch mit Hölderlins Unterschrift vom 19. April 1791. Daneben trug Lavater ein «NB» ein. NB steht für «nota bene», und bedeutet, dass der junge Hölderlin dem Gelehrten offensichtlich als besonderes Talent aufgefallen ist.

Doch wie hat sich das Treffen wohl gestaltet? «Man muss sich vorstellen, dass es in Lavaters Haus wie in einem Bienenstock zu und her ging», sagt Ursula Caflisch-Schnetzler. Sie ist neben ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit an der UZH auch Kuratorin der Sammlung Johann Caspar Lavater imLavaterhaus.

Die Sammlung an der St. Peter-Hofstatt in Zürich ist für Besucherinnen und Besucher jeden Donnerstagnachmittag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Damit steht das Lavaterhaus ganz in des Gründers Tradition: Lavater empfing täglich Besucher und schaffte es neben seiner Tätigkeit als Autor und Pfarrer, tausende von Briefen an Gelehrte in der ganzen Welt zu schreiben. « Auch Hölderlin war sicherlich fasziniert von dem gelehrten Pfarrer und Autor, liessen sich beide doch in ihren jungen Jahren ansatzweise von den gleichen religiösen und poetischen Vorbildern leiten», sagt Caflisch-Schnetzler.

Hölderlins Schweizer Vision

Im Erdgeschoss des historisch wertvollen Gebäudes ist ab Freitag eine Wanderausstellung zu sehen, die sich mit Hölderlin und der Schweiz beschäftigt. Auch der Nachtzedel und das Gästebuch von Lavater werden in der Ausstellung zu sehen sein. Unter dem Titel «Hölderlin und die ‚künftige Schweiz‘» können Besucher anhand verschiedener Schautafeln nachvollziehen, wie sehr sich Hölderlin auch lange nach seinem Treffen mit Lavater mit der Schweiz befasste. Das Besondere daran ist, dass Hölderlin bereits während der Zeit der französischen Besatzung durch Napoleon eine Utopie der künftigen Schweiz entwarf. Einer Schweiz wie sie heute ist: ein Bundesstaat, in dem die Vielfalt der Kantone gewahrt ist.