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Kunstgeschichte

Digitale Mona Lisa

Die Digitalisierung verändert die Kunstgeschichte. Zürcher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern ein Umdenken und mehr Investitionen für eine neue Forschungsdisziplin.
Alexandra Bröhm
Abbildungen der Mona Lisa können sich je nach Belichtung, Kontrast oder Auflösung stark voneinander unterscheiden. (Bild: wikipedia)

Es gibt nur eine Mona Lisa. Sie hängt im Pariser Louvre. Digitale Abbildungen der Mona Lisa jedoch gibt es unzählige, und nicht jede sieht exakt aus wie die andere. Bezieht sich ein Kunsthistoriker in einer Arbeit auf Leonardos Gemälde, wäre es jedoch wichtig, genau zu wissen, mit welcher digitalen Kopie er arbeitet. Denn längst nicht jede digitale Reproduktion gleicht der nächsten auf den letzten Pixel genau. Abbildungen können sich je nach Belichtung, Kontrast oder Auflösung stark voneinander unterscheiden. Dies ist eine der Herausforderungen, denen sich die digitale Kunstgeschichte stellen will.

Erklärung zur digitalen Kunstgeschichte

«Digitale Kunstgeschichte: Herausforderungen und Perspektiven» heisst eine Tagung, die kürzlich Kunsthistorikerinnen und -historiker der Universität Zürich, der ETH Zürich und des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) gemeinsam durchführten. Allen Beteiligten war schnell klar: Nur mit zusätzlichen finanziellen und strukturellen Mitteln ist es möglich, sich den Anforderungen der Digitalisierung in dieser Disziplin zu stellen, in der Abbildungen nicht nur zur Erläuterung gewisser Zusammenhänge dienen, sondern das eigentliche Quellenmaterial sind. Das Resultat der Tagung war die «Zürcher Erklärung zur digitalen Kunstgeschichte», die zusammenfasst, wie die Disziplin mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen soll. Interessierte können die «Zürcher Erklärung» unterzeichnen.

«Es braucht nationale Rahmenbedingungen und einen Mindeststandard bei der Qualitätssicherung», sagt Tristan Weddigen, Professor für Kunstgeschichte der Neuzeit an der Universität Zürich und einer der Erstunterzeichner der Erklärung. Eine Herausforderung ist beispielsweise auch die technische Seite der Digitalisierung. Computerdateien sind viel kurzlebiger als Gedrucktes, Formate veralten. Mit jedem Software- und Betriebssystem-Update gibt es Arbeit, um die Daten für die Nachwelt zu retten.

Was ändert sich durch die Digitaliserung? Kunsthistoriker Tristan Weddigen (dritter v.l.) diskutiert mit Forscherkollegen. (Bild: SIK-ISEA, Philipp Hitz)

Man müsse darüber nachdenken, sagt Thomas Hänsli, Leiter Digitale Kunstgeschichte ETH und UZH, auch er einer der Erstunterzeichner, ob es ein «digitales Original» brauche, für dessen Metadaten das jeweilige Museum zuständig wäre, in dem ein Werk hängt. Die Metadaten, wer wann eine digitale Kopie von einem Original hergestellt habe, müssten zudem immer verfügbar sein und selbstverständlicher Teil jedes Austausches.

Demokratisierung der Kunst

«Neu müsste auch das ganze System der Abgeltungen geregelt werden», sagt Matthias Oberli. Oberli ist Abteilungsleiter Kunstdokumentation beim SIK-ISEA und ebenfalls an der Erklärung beteiligt. Wie die Abgeltung im Einzelnen geregelt werden soll, ist, wie viele andere Fragen, noch offen. Auch kollidiere die heute dominierende projektorientierte Forschungsförderung oftmals mit der Notwendigkeit, Datenbanken über Jahre hinweg zu aktualisieren, sagt Roger Fayet, Direktor des SIK-ISEA und Initiant der Tagung.

Das Thema Digitalisierung treibt alle Forschenden der Geisteswissenschaften um und ist unter dem Stichwort «Digital Humanities» zusammengefasst. Auch an der Universität Zürich diskutieren die Verantwortlichen, einen Lehrstuhl in diesem Bereich zu etablieren.

 Die Digitalisierung bringt nicht nur Probleme mit sich. Sie hat auch positive Seiten. Beispielsweise führt sie zu einer Demokratisierung der Kunst. Dank der Digitalisierung sind Bilder weltweit für viele Menschen verfügbar. Niemand muss heute mehr in den Louvre pilgern um die Mona Lisa zu betrachten. Das Original werde seinen Nimbus deswegen nicht verlieren, ist Weddigen überzeugt. Übungen, in denen es um Originale geht, seien bei den Studenten nach wie vor sehr beliebt.