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Zusammenarbeit von Zoo und Tierspital Zürich

Diät für hundertjährige Riesen

Seit vierzig Jahren betreuen Veterinäre der Universität Zürich Zootiere im Zoo Zürich. Anlass genug, um über die enge Zusammenarbeit von Zoo und Tierspital zu berichten. Ist sie doch in Europa einmalig und eine grosse Chance für beide Institutionen, sagt Jean-Michel Hatt, Direktor der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere an der UZH. 
Marita Fuchs

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Riesenschildkröte mit grossem Appetit: Auf dem Menueplan des Zootiers sollten jedoch nur Kräuter und Gräser stehen. (Bild: wikipedia)

Die Riesenschildkröten im Zoo Zürich sind nicht nur durch ihre gravitätische Grösse beeindruckend, auch ihr biblisches Alter und die Ruhe, die sie ausstrahlen, machen sie zu Publikumslieblingen. Gewichtig sind diese Echsen: Die Männchen können 250 kg schwer werden, bei den Weibchen sind es etwa 150 kg. Vom Schlüpfen bis zum erwachsenen Tier wachsen die Schildkröten um den Faktor 2'000 – einmalig für ein landbewohnendes Wirbeltier.

Andere Schwergewichte dieser Kategorie haben im Laufe der Evolution das Wasser als Lebensraum gewählt, wie zum Beispiel die Ahnen der Wale, erklärt Jean-Michel Hatt. Der Veterinär ist Cheftierarzt am Zoo und in einer europaweit einmaligen Doppelrolle auch Klinikdirektor und Professor für Zoo-, Heim- und Wildtiermedizin an der Vetsuisse-Fakultät Zürich. «Unsere Teamarbeit mit dem Zoo ist einmalig», sagt Hatt. Die enge Zusammenarbeit habe sich seit vierzig Jahren bewährt, man kenne sich und könne beiderseits auf enormes Fachwissen zurückgreifen.

Verformte Panzer, kranke Knochen

Die Riesenschildkröten im Zoo Zürich sind nur ein Beispiel für das gute Zusammenspiel von Wissenschaftlern und Zoologen. Bereits vor zwanzig Jahren war der Zoo Zürich daran interessiert, Riesenschildkröten ein artgerechtes Leben zu bieten, man wollte die seltenen Reptilien auch züchten, schliesslich ging der Bestand weltweit zurück. Doch die ersten Nachzuchten, die im Zoo Zürich das Tageslicht erblickten, fristeten ein kurzes und wohl auch eher trauriges Leben. Weil man es damals nicht besser wusste, wurden die Schildkröten mit zu vielen Früchten und sogar mit Fleisch gefüttert.

Die Folge: Die Schildkröten wuchsen enorm schnell – viel zu schnell für Muskeln und Knochenbau. Verformte Körper und Panzer führten zum frühen Tod nach wenigen Jahren – ganz anders als die karg lebenden Artgenossen auf den Galapagos-Inseln, die weit über hundert Jahre alt wurden. Was war schief gelaufen?

Der Allrounder unter den Veterinärmedizinern: Professor Jean-Michel Hatt  bildet seit vielen Jahren Zootiermediziner aus. (Bild: Marita Fuchs)

Um das herauszufinden, entstand zwischen dem Zoo Zürich und den Veterinären der UZH ein wissenschaftliches Projekt, das sich auf die Ernährung und das Wachstum sowie artgerechte Haltung der Schildkröten fokussierte. Mehrere wissenschaftliche Studien zur Ernährung der Tiere folgten. So etwa zu den Knochenstoffwechselerkrankungen und Studien über den Verdauungstrakt. Dabei arbeiteten die Forscher zum Beispiel mit so genannten Markern im Futter. Die Wissenschaftler mussten Geduld beweisen, denn bis das Futter verdaut wieder als Mist herauskommt, dauert es bei den Schildkröten bis zu 18 Tagen. Wie sich bald herausstellte, war die Umstellung auf eine karge Ernährung dringend notwendig. Heute werden aufgrund der Untersuchungen von Hatt und seinem Team die Schildkröten spartanisch ernährt: Sie erhalten Heu und Kräuter mit Calcium, das in Form von Pulver beigefügt wird.

Oft fett und zuckerkrank

Die Schildkröten zeigen exemplarisch, was im Zoo – anders als auf freier Wildbahn –für die Tiere zum Problem werden kann. «Am häufigsten haben Krankheiten bei Zootieren mit der Haltung zu tun, insbesondere der Ernährung», sagt Hatt. Wildtiere in Gefangenschaft sind oft zu fett und zuckerkrank. Hungerphasen, wie sie in freier Wildbahn oft vorkommen, gibt es gar nicht. Deshalb tut auch den gepanzerten Echsen ein wenig Diät gut. Heute sind die Riesenschildkröten im Zoo Zürich im Schnitt etwa 60 Jahre alt und erfreuen sich bester Gesundheit. Hatt konnte kürzlich in einem Standardwerk zur Tiermedizin zwanzig Jahre Forschungsarbeit zur Ernährung der Riesenschildkröten veröffentlichen.

Veterinärmedizinische Allrounder

Der Wildtierexperte ist ein Allrounder. «In unserem noch relativ jungen Fachgebiet der Zoo- und Wildtiermedizin muss man gleichzeitig Chirurg, Radiologe, Anästhesist und Allgemeinmediziner sein», sagt Hatt. Von seinen Studierenden und Assistierenden verlangt er neben dem veterinärmedizinischen Wissen auch ein breites biologisches Interesse. Die Ausbildung zum Zootiermediziner zieht Studierende aus aller Welt an. Sie kommen als so genannte «Residents» an die Vetsuisse-Fakultät, um an einem dreijährigen Ausbildungsprogramm teilzunehmen. Während dieser Ausbildung profitieren sie von der Arbeit mit dem reichen Tierbestand des Zoos.

Hatt und sein Team sind zusätzlich auch für den Wildnispark Zürich, dem «Tierpark Langenberg» mit seinen Hirsch- und Wolfsrudeln und den Bären zuständig. Auch das sei eine Bereicherung für die Studierenden und Assistierenden, sagt Hatt, denn in Langenberg gehe es um einen weiteren Aspekt der Veterinärmedizin: die Betreuung einer Herde.

Angst dürfe ein angehender Wildtierexperte nicht haben, sagt Hatt. Man müsse aber lernen, mit zu Vorsicht agieren. Neulich habe er einen Wolf operieren müssen, dabei vergewissere er sich, dass das Tier auch wirklich tief narkotisiert sei. Bisher sei er nur einmal gebissen worden – und das überraschenderweise von einem Hausschwein. «Ich bin ihm beim Fressen zu nah gekommen».