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Kongress «Kulturen des Alter(n)s»

Coolness fürs Alter

Wie altert man in Japan? Brauchen die neuen Alten einen neuen Gott? Wie behält man die Balance im Alter? Diesen höchst unterschiedlichen Fragen geht der Kongress «Kulturen des Alter(n)s» vom 23. bis 25. Mai nach. 
Paula Lanfranconi
Stiess in Gesprächen mit Hochbetagten auf erstaunlich viel Lebenskunst: Erzählforscher Harm-Peer Zimmermann, Professor für Populäre Kulturen an der UZH.

Das Alter ist vielfältig. In Japan wird man anders alt als in der Schweiz, in Kamerun anders als in China – eine kulturelle Vielfalt, welche nur selten thematisiert werde, sagt Harm-Peer Zimmermann, Professor für Populäre Kulturen und Initiant des ersten Kongresses über Kulturwissenschaftliche Altersforschung an der UZH. Der demografische Wandel fordere die Wissenschaften indes heraus, innovative Altersbilder zu erforschen – «jenseits des aufgeregten Diskurses über Altenlast und Rentnerberg.»

Eine Besonderheit des Kongresses ist die Vielfalt der beteiligten Disziplinen. Über 30 renommierte Referentinnen und Referenten, unter anderem aus Ethnologie, Kultur- und Medienwissenschaft, Soziologie, Psychologie, Philosophie und Theologie beleuchten das Alter aus ihrer Sicht. Initiant Harm-Peer Zimmermann betrachtet den Kongress auch als Aufbruch: Er soll die interdisziplinäre Alternsforschung an der UZH stärken.

«Jammert nicht über erlittene Verluste»

Harm-Peer Zimmermann selber kommt aus der Erzählforschung. Am Kongress spricht er zum Thema «Balance im Alter», inspiriert von Jacob Grimms «Rede über das Alter», gehalten 1859. Da war Jacob, der Ältere der beiden Brüder Grimm, bereits 74. Diese Rede, sagt Zimmermann, sei sehr modern. Grimm spreche indes nicht von Balance im Alter, sondern vom richtigen Mass: Jammert nicht über erlittene Verluste, sondern betrachtet, was ihr habt. Geht seelisch in euch, als würdet ihr in einem Garten spazieren gehen.

Dies seien sehr sensible Bilder, sagt der Erzählforscher: «Kein Rückzug, sondern Spaziergänge unternehmen, innerlich und äusserlich, um die Seele ins Gleichgewicht zu bringen.» Grimms Sprache klingt anrührend tröstlich: «...gibt doch die Natur keinen Menschen so preis, dass sie ihm alle Mittel der Gegenwehr alsbald entzöge und für erlittene Einbusze nicht auch manigfache Vergütung bereit hielte...»

Die Gewinne sehen

Der Kulturwissenschaftler entnimmt Grimms Rede auch Botschaften an die heutige Gesellschaft: Nicht bloss schauen, was das Alter an volkswirtschaftlichen Belastungen bringt. Sondern auch die Gewinne sehen, welche selbst verwirrte Menschen für die Gesellschaft darstellen, indem sie sozusagen an menschliche «Basics» erinnern: «Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer sei.»

In Gesprächen mit Hochbetagten stiess Erzählforscher Zimmermann auf erstaunlich viel Lebenskunst. So verwendete eine 77-jährige Frau im Rahmen des Forschungsprojektes «Gutes Leben im hohen Alter angesichts von Verletzlichkeit und Endlichkeit» explizit das Wort «cool», um ihre Vorstellung von einer wünschenswerten Haltung gegenüber dem Alter auszudrücken: «Meine Mutter», sagte die Frau, «die war cool, also kühl, bis zum Schluss.» Das möchte auch sie selber gerne, diese Ruhe bewahren - es sei die Voraussetzung, «dass man das dann auch erträgt.»

Ihren Gedanken aufgreifend, spricht Harm-Peer Zimmermann von Alters-Coolness. Zuerst habe er allerdings gezögert, weil dieser Begriff auch als Verharmlosung verstanden werden könnte. An Vorträgen stellte er jedoch fest, dass das Publikum gut auf dieses moderne Wort anspricht: «Distanz, Haltung bewahren, sich den Stolz nicht nehmen lassen angesichts der Zumutungen des Alters und die aufgeregten Debatten darüber.» Alters-Coolness – sozusagen die thermodynamische Fähigkeit, kühl zu bleiben. Bis zum Schluss.