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Ein thematisch breitgefächerter Vortragsreigen erwartete die Besucher des «cogito-Preisträger Symposiums», das letztes Wochenende in der Aula der UZH stattfand. «Grenzen» lautete das Motto des Anlasses. Eröffnet wurde er von Rita Gautschy, die den cogito Preis letztes Jahr erhalten hat. Die Astronomin und Altertumsforscherin zeigte anhand von Beispielen aus der Geschichte des Alten Ägyptens, auf welche Hindernisse die Datierung historischer Ereignisse stossen kann. Quellenmaterialien wie Tontafeln und Papyri geben wegen ihres teilweise schlechten Erhaltungszustandes oft nur lückenhafte Hinweise. Weicht das noch lesbare Datum auch nur um einen Tag von der richtigen Angabe ab, so bedeute dies wegen der unterschiedlichen Länge von Sonnenjahr und Mondjahr eine Verschiebung der Absolutdatierung um 11 oder 14 Jahre, erklärte Gautschy.
In die Welt der Physik führte der Vortrag von Thema Michael Esfeld, cogito-Preisträger des Jahres 2008. Der Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne vertrat die Auffassung, dass keine fundamentalen Erkenntnisgrenzen der Physik im Wege stünden. Die einzige Hürde bestehe in der trivialen Unmöglichkeit, eine genaue Kenntnis der Anfangsbedingungen zu erlangen, was in der Quantenmechanik durch die Heisenbergsche Unschärferelation zum Ausdruck komme. Esfeld gab sich überzeugt, dass sich andere momentane Grenzen der Quantenmechanik, wie etwa die fehlende Integration aller fundamentalen Naturkräfte in einem einheitlichen theoretischen Rahmen, in naher Zukunft mit der Entwicklung der Quantengravitation auflösen werden.
Reto Schneider, Wissenschaftsjournalist und cogito-Preisträger des Jahres 2010, befasste sich in seinem Vortrag mit der Geschichte vom klugen Hans, einem um 1910 in Berlin berühmt gewordenen Pferd. Hans wurde von seinem Besitzer dazu trainiert, durch Hufschläge richtige Antworten auf mathematische Fragen zu geben. Erst die Versuche durch den Psychologiestudenten Oskar Pfungst brachten ans Licht, dass Hans statt Arithmetik die Fähigkeit beherrschte, unmerkliche Zeichen der Fragestellenden wahrzunehmen, so dass er mit dem Hufklopfen genau dann aufhörte, wenn der Gesichtsausdruck oder die Körpersprache seines Gegenübers dessen Zufriedenheit mit der Antwort verriet. Verblüffend an der Geschichte ist vor allem der Umstand, dass Hansens Herr sich selbst nicht bewusst war, dass er seinem Pferd mit solchen unscheinbaren Zeichen half. Schneider sah darin ein lehrreiches Beispiel für die Grenzen der Selbstwahrnehmung.
Um die Grenzen der geistigen Leistungsfähigkeit drehten sich die Ausführungen von Manfred Spitzer, cogito-Preisträger des Jahres 2002. Der Psychiater, Psychologe und Hirnforscher warnte vor einem übermässigen Einsatz digitaler Medien in Schule und Erziehung. Der exzessive Konsum elektronischer Medien durch Kinder und Jugendliche habe eine bloss oberflächliche Beschäftigung mit Informationen zur Folge und gehe und zu Lasten des eigenen, aktiv tätigen Lernens. Seine These: der schon im siebzehnten Lebensjahr einsetzende Abbau geistiger Fähigkeiten wird durch übertriebenen Medienkonsum massiv beschleunigt.
Ernst Fehr, Ökonomie-Professor an der UZH und cogito-Preisträger des Jahres 2004, gab Einblicke in seine jüngsten Experimente zu den neurobiologischen Grundlagen des Altruismus. Fehr und seine Forschungsgruppe gehen der Frage nach, ob sich die Bereitschaft, anderen aus uneigennützigen Gründen zu helfen, auf bestimmte Strukturen und Funktionen im Gehirn zurückführen lässt und damit messbar ist. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass dies tatsächlich der Fall ist.
Im Schlussreferat teilte der Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger, cogito-Preisträger des Jahres 2006, mit den Zuhörern persönliche Reflexionen unter dem Titel «Meine Grenzen». Rheinberger, der in seiner akademischen Laufbahn den ungewöhnlichen Weg von der Philosophie über die Molekularbiologie zur Wissenschaftsgeschichte beschritten hat, stellte klar, dass Transdisziplinarität nichts mit dem Verwischen von Disziplingrenzen zu tun hat. Vielmehr gehe es darum, Wissen von einem Gebiet in ein anderes zu übertragen. Die Voraussetzung, um transzdisziplinäre Wissenschaft zu betreiben, sei die konzentrierte Beschäftigung mit einer einzelnen Disziplin über mindestens 10 Jahre hinweg.
Bei der abschliessenden Diskussion wurden am Beispiel aktueller gesellschaftlicher Debatten die Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, insbesondere zwischen Wissenschaft und Politik erörtert. Ein Thema, das sich zunehmender öffentlicher Aufmerksamkeit erfreut – wie auch die rege Beteiligung des Publikums in deutlich machte.