Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Ausstellung und Kongress zu antiken Bronzen

Der Kriegsgott aus Oberweningen

Die Archäologische Sammlung der UZH macht mit einer ungewöhnlichen Ausstellung über antike Bronzen auf sich aufmerksam. Zum selben Thema findet auch ein Kongress statt. Einer der Referenten ist der Historiker Eckhard Deschler-Erb. Er zeigt, auf welche Weise Ur- und Frühgeschichtler heute modernste Techniken nutzen, um dem Geheimnis ihrer Objekte auf die Spur zu kommen.  
Eckhard Deschler-Erb
Antiker Marskopf: Dank moderner Neutronenradiographie ist es Historikern möglich, das Innere einer Bronze zu untersuchen, ohne sie zerstören zu müssen. Im Hohlraum zeigt sich eine feste Masse aus Blei, rot dargestellt.

Forschung heute muss interdisziplinär sein und die Grenzen des eigenen Faches überwinden. Meist ist es erst dann möglich, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Als ein gelungenes Beispiel für interdisziplinäre Forschungsarbeit kann die Untersuchung eines kleinen Marskopfes gelten, der sich bei Grabungen im römischen Gutshof von Oberweningen ZH fand.

In Gallien geschaffen, in der Oberweningen gefunden: Jugendlicher Mann mit Helm, der den Kriegsgott Mars darstellen soll.

Am Beginn der Untersuchung steht die genaue äussere Beschreibung und Analyse des Objekts. Es handelt sich um den acht Zentimeter hohen Kopf eines jugendlichen Mannes mit Helm auf einer Standplatte, die mehrere Nagellöcher aufweist. Die Ausformung der Bronze zeigt an sich eine hohe Qualität; verwirrend sind aber die eher einfach ausgeformte Standplatte und die «brutal» eingeschlagenen Nagellöcher.

Der äusseren Beschreibung folgt die klassisch archäologische, stilistische und typologische Analyse. Diese ergibt, dass der Kopf zu einer Gruppe von Statuetten und Büsten des römischen Kriegsgottes Mars gehören dürfte, die in den ersten Jahrhunderten n.Chr. in Gallien geschaffen worden sind.

Mars im Computertomographen

Verwirrend bleibt aber weiterhin die Standplatte mit Nagellöchern, die irgendwie nicht so recht zu dem qualitätsvollen Kopf passt. Aus diesem Grund, und um auch den Herstellungsprozess der Bronze besser zu verstehen, wurde gemeinsam mit den Wissenschaftlern Eberhard Lehmann und Tom Ford vom Paul Scherrer Institut in Villigen AG eine radiographische und tomographische Untersuchung durchgeführt.

Die Untersuchung fand im Areal NEUTRA an der Spallationsneutronenquelle SINQ statt und erbrachte das Ergebnis, dass der Marskopf im Inneren einen Hohlraum aufweist, der mit einer festeren Masse (rot, wohl Blei) gefüllt ist und dass die unten abschliessende Bodenplatte separat eingefügt worden sein dürfte.

Marskopf als Hausheiligtum, als Waage oder Zierbeschlag

Anhand dieser Untersuchungsergebnisse lassen sich in Kombination mit den Ergebnissen der klassisch-archäologischen Analyse Rückschlüsse zur Herstellung und Nutzung der Bronze ziehen.

Im Gallien der ersten nachchristlichen Jahrhunderte wurde eine Marsstatuette oder -büste im Hohlgussverfahren hergestellt und wohl als vollständiges Objekt genutzt. Vielleicht war sie als nobles Geschenk gedacht. Nach einer gewissen Zeit – vielleicht nach dem Transport in die Schweiz – sägte man den Kopf der Büste oder Statuette ab, füllt ihn mit Blei und verschloss das Halsloch mit einer Standplatte.

Warum das geschah, ist kaum zu erklären und wird wohl auf immer ein Geheimnis bleiben. Man kann nur mutmassen, das der Marskopf in seinem ersten Zustand (Büste oder Statuette) Bestandteil eines Hausheiligtums gewesen ist. Nach der Veränderung könnte er mit der Bleifüllung als Gewicht für eine Waage genutzt worden sein. Gegen diese Interpretation spricht aber die Standplatte, und so ist am ehesten von einer Nutzung als angenagelter Zierbeschlag auszugehen.

Fazit: Bei vielen Fragen der heutigen Forschung lohnt sich der Blick «über den Gartenzaun», um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.