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Mitreissend, heiter, dynamisch: Tempo und Takt der Abschlussveranstaltung am diesjährigen «Tag der Lehre» gaben die Musiker des Dave Ruosch Trios vor. Ihr Boogie-Woogie brachte die Schuhspitzen zum Wippen, das Parkett vibrierte, die Deckenleuchten schwangen rhythmisch. «Heureka!» – so lautete die freudige Losung des Abends.
Gefeiert werden sollten die insgesamt 60 Studentinnen und Studenten, die im Herbstsemester 2012 und Frühlingssemester 2013 mit einem Preis für ihre hervorragende Semester-, Bachelor- oder Masterarbeit ausgezeichnet wurden. «Preise», sagte Otfried Jarren, Rektor ad interim, in seiner Ansprache, «gehören zu einer Universität dazu, sie sollen ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung von Forschungsleistung sein.» Eine Belohnung für vollbrachte Mühen, aber auch ein Anreiz, auf diesem oft holprigen Weg weiterzugehen. «Eine Universität lebt von ihrer Lehr- und Lerngemeinschaft, von allen Forschenden, die Neues entdecken wollen. Deswegen wollen wir heute gemeinsam feiern!»
Schon seit gut 60 Jahren vergibt die Universität Zürich Semesterpreise als Anerkennung besonderer akademischer Leistung während des Studiums. Bis letztes Jahr galten sie allerdings noch als die grossen Unbekannten der UZH, wie Oriana Schällibaum, Co-Präsidentin des VSUZH, in ihrer Laudatio berichtete: «"Ich freue mich, Ihnen einen Semesterpreis im Wert von 600 CHF zusprechen zu können. Im Namen der Universität Zürich gratuliere ich Ihnen herzlich für Ihre ausgezeichnete Leistung und lade Sie ein, den genannten Betrag gegen Vorlage dieses Schreibens bei der Kasse der Universität an der Künstlergasse 17 abzuholen." Ich fiel so ziemlich aus allen Wolken, denn ich wusste doch gar nicht, dass es diesen Preis überhaupt gab. Der Semesterpreis bestand also aus dem besagten Brief und hatte einen klar bezifferbaren Wert, nämlich 600 Franken. Dem Ganzen haftete ein seltsamer Hauch des Klandestinen an, des zwar Exklusiven und Lobeswerten, aber irgendwie auch Anstössigen. Trotzdem freute ich mich natürlich sehr. Ich dankte dem Betreuer meiner Seminararbeit, denn er hatte sie ja vorgeschlagen – und mir gezeigt, dass es an der Uni mehr als Punktesammeln gibt.»
Seit dem letztjährigen Tag der Lehre hat sich in punkto Semesterpreise viel geändert: Aus einer «Privatangelegenheit» ist eine gesamtuniversitäre Veranstaltung geworden, bei der die Semesterpreisträgerinnen und –preisträger nun öffentlich gewürdigt werden.
Beflügelt vom Thema des Abends, hatten alle Gast- und Festredner schwungvolle Auftritte vorbereitet, die einen anekdotenreichen Einblick in verschiedene Facetten von Lehr- und Lernprozessen boten. André Huber, einer der Ausgezeichneten in diesem Jahr, Absolvent des Studiengangs Englische Sprachwissenschaft, zur Zeit Lehrer an einer Berufsschule und Doktorand in spe, fragte sich in seinem Kurzreferat, was dieser Semesterpreis für ihn nun eigentlich bedeute. Er habe die Wahl, meinte er, sich entweder als toller Hecht zu fühlen oder einen Schritt zurückzutreten und den Forschungsvorgang vom Finden der wissenschaftlichen Fragestellung bis zur Umsetzung und Anfertigen der Arbeit noch einmal Revue passieren zu lassen. Keine Frage: Huber entschied sich für die zweite Möglichkeit und zog aus seiner Analyse der Lehre an der UZH «drei wesentliche Aspekte». Anregen, begleiten und diskutieren – das seien für ihn die Knackpunkte guter Lehre.
Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kam auch der nächste Referent, Martin Meyer, Professor für Plastizitäts- und Lernforschung des alternden Gehirns, Lehrpreisträger 2012 und Betreuer einer mit einem Semesterpreis ausgezeichneten Arbeit. Er hat sich Gedanken gemacht zu der Frage, ob es so etwas wie ein wissenschaftliches Talent gebe. «Wie sieht der geborene Forscher aus?» Unentbehrliche Tugenden für akademischen Erfolg, so seine Überlegungen, seien sicherlich Mut, Neugier, Ausdauer, Beharrlichkeit und intrinsische Motivation. «Doch wir benötigen auch unbedingt Signale von aussen. Nur so können neue neuronale Spuren im Gehirn entstehen.» Gute Lehre bedeutet für Meyer eine Stimulation zum Selbsttun, ein Anstoss zu eigener Einsicht. «Denn Intelligenz ist nichts anderes als realisierte Begabung.» Weitere Voraussetzungen für wissenschaftliche Kopfarbeit sind für den Gehirnforscher «eine hervorragende Infrastruktur und, ganz wichtig, eine angstfreie, unideologische Atmosphäre». Ein Klima, in dem die Hoffnung auf Erfolg grösser ist als die Angst vor Misserfolg.
Die dritte Referentin, Karin Moelling, unterhielt ihr Publikum mit persönlichen Erinnerungen an Blitzeinfälle und Heureka-Erlebnisse aus ihrem eigenen, reichen Forscherinnenleben. Die emeritierte Professorin und ehemalige Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie an der UZH, die nach eigener Auskunft nicht aufhören kann zu forschen – «es ist ein zu grosses Vergnügen» –, gab den Nachwuchswissenschaftlern im Saal ausserdem noch einen umfangreichen Katalog an bewährten Ratschlägen an die Hand: «Probieren Sie einfach mal etwas aus – die Natur macht auch nichts anderes. Nehmen Sie Ihre Ergebnisse scharf unter die Lupe – manchmal steckt mehr dahinter, als Sie denken. Tragen Sie einem Zufall Rechnung – die beste Lösung entsteht oft auf Basis eines Missgeschicks. Und sprechen Sie mit so vielen anderen Wissenschaftlern wie möglich – aber vermeiden Sie langweilige Leute.»
Das eigene Glück beim Schopf packen, den günstigsten Zeitpunkt einer Entscheidung erkennen, dem Zufall vertrauen, dem Nachdenken Zeit geben, eigenen Interessen folgen und auch mal eine Bruchlandung wagen: Diese (Lebens-)Erkenntnisse des Abends, die Otfried Jarren noch einmal prägnant zusammenfasste, schrieben sich am Ende wohl alle Aula-Gäste gern hinter die Ohren. Und wer weiss, wie viele sich dabei im Stillen gedacht haben: «Heureka!»