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Es gibt kaum noch eine Schweizer Partei, die heute ohne ein Facebook-Profil oder einen Twitter-Kanal daherkommt. Ulrike Klinger, Publizistikwissenschaftlerin an der Universität Zürich, hat untersucht, wie die Schweizer Parteien die Möglichkeiten der so genannten Social Media nutzen.
Dazu hat sie im Rahmen einer Studie vom Januar bis November 2011 die Kommunikation Schweizer Parteien auf Facebook, Twitter und andern Kanälen verfolgt und analysiert. Klinger wollte insbesondere herausfinden, wie die Parteien das Potenzial der neuen sozialen Medien nutzen und wie sie ihre Klientel ansprechen.
Ausserdem interessierte Ulrike Klinger, ob kleinere Parteien per Facebook, Twitter und Co. effizienter als bisher Mitglieder rekrutieren oder neue Anhänger gewinnen können. Oder ob es sich eher umgekehrt verhält: dass die sozialen Medien ohnehin schon dominante politische Akteure stärken und damit bestehende Unterschiede zwischen den Parteien in Bezug auf Wählerstärke, Ressourcen und öffentlicher Präsenz zementieren.
Ulrike Klingers Untersuchungen zeigen, dass die Parteien bei ihren Bemühungen, Social Web für sich zu nutzen, bisher nur bescheidene Ergebnisse vorzeigen können. Selbst die SP, die besonders emsig Inhalte auf Facebook topaktuell hält, hatte im Oktober 2011 nicht einmal 5‘000 Freunde. Die FDP hat im Vergleich dazu etwa 2500 Freunde, die SVP etwa 2300.
Die Erhebung der Follower auf Twitter zeigt ein ähnliches Bild. Im Oktober 2011 hat die SP mit etwa 1600 Followers die Nase vorn, gefolgt von GLP, SVP, FDP mit je etwa 1000 und Grünen mit etwa 650. Die Grünen konnten im Laufe des Jahres ihre Followerzahl allerdings verneunfachen. «Insgesamt ziehen die kleineren Parteien aus den Social Media aber kaum einen Nutzen», sagt Klinger.
Auch inhaltlich hat die Publizistikwissenschaftlerin die 1274 Facebook-Einträge der Parteien unter die Lupe genommen. Dabei hat sie unterschiedliche Kriterien angelegt: Handelt es sich bei den so genannten Postings um Informationen, wie sie auch an Zeitungen oder Radio- oder Fernsehstationen weitergegeben werden, oder handelt es sich um eine Aufforderung zum Mitmachen wie etwa Einladungen zu Events oder Unterschriftensammlungen. Dabei zeigte sich, dass nur 18 Prozent der Postings zur aktiven Partizipation aufriefen. Erstaunlich wenig, denn gerade soziale Medien leben ja vom aktiven Mitmachen.
Inhaltlich, so fand Klinger heraus, dominiert die reine Informationsvermittlung von der Partei an die Adressaten. 59 Prozent der Einträge hatten reinen Informationscharakter. Sprich: die Einweg-Kommunikation zwischen Absender und Adressat herrscht vor. «Diesem Muster folgen alle Schweizer Parteien, es gibt keine grossen Unterschiede», sagt Klinger.
Haben darum die Parteien so wenig Erfolg mit ihren Social Media Angeboten? Klingers These: «Letztlich gehen die Parteien nicht auf die Medienlogik von Twitter, Facebook und Co. ein. Schweizer Parteien nutzen kaum die interaktiven und partizipativen Potenziale von Social Media.»
Die Parteien haben für ihre Social-Media-Kommunikation die massenmediale Medienlogik übernommen. Die greife im Bereich von Social Media aber nur sehr begrenzt, meint Klinger. Anstatt eine reine Push-Strategie zu verfolgen, müsse auch eine Pull-Strategie eingesetzt werden, und statt allgemeine Informationen zu verbreiten, könne eine auf Interaktivität ausgerichtete Kommunikation unter Umständen zu einer regeren Debatte im Netz führen.
Noch gelingt es den Schweizer Parteien nicht, grössere Bevölkerungsteile über Social Media zu erreichen. «Wollen die Parteien mit Social Media die Menschen ansprechen, müssen sie ihre Kommunikationsweise korrigieren», bilanziert Klinger.
Anders verhält es sich mit den Social-Media-Aktivitäten einzelner Parteimitglieder. Je nach Prominenz ist hier das Interesse gross und der Austausch rege. Wie genau diese Art der nicht-organisierten politischen Kommunikation funktioniert, sollen zukünftige Studien zeigen.