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Sie schwammen in den einstigen Weltmeeren und sahen recht wunderlich aus. Sie gehörten zu den Kopffüssern und standen den Tintenfischen nahe, hatten aber keinen Tintenbeutel. Mit einem Gehäuse, entfernt ähnlich dem ihrer entfernten Verwandten, den Schnecken, liessen sie sich gemächlich durch die Ozeane treiben und frassen Plankton. Ihre Geschichte begann im Devon vor etwa 400 Millionen Jahren und endete am Ende der Kreidezeit. Die Rede ist von den Ammonoideen. Sie umfassen neben den eigentlichen Ammoniten auch deren Vorfahren.
Die Zahl der Ammonoideen-Arten, die vom Devon bis Ende Kreide lebten, dürfte bei mehreren zehntausend liegen. Die Schale ausgewachsener Tiere reichte von einem bis zu dreissig Zentimetern. Eine berühmte Ausnahme bildet Parapuzosia seppenradensis. Mit rekonstruierten zwei Metern Schalendurchmesser ist dies die grösste bekannte Ammonoideenart.
Kurz vor dem Ursprung der Ammonoideen entwickelten sich effiziente Räuber, die kiefertragenden Fische. Ein Beispiel sind die martialisch aussehenden Panzerfische, deren Köpfe mit dicken Knochenplatten ausgestattet waren. Ihr restlicher Körper war von kleinen Schuppen bedeckt. Diese Panzerfische wurden im ausgehenden Devon bis über sechs Meter lang und konnten mit ihren Kiefern kraftvoll zuschnappen. So ausgestattet machten sie gemeinsam mit anderen kiefertragenden Fischen vor rund 400 Millionen Jahren Jagd auf andere Meeresbewohner.
Die Ammonoideen aus dem Frühen Devon stellen nun – wie auch andere Tiergruppen dieser Zeit – möglicherweise eine Anpassung an diese Raubtiere dar. Wie genau diese Anpassung vor sich ging, untersuchten die Paläontologen Kenneth De Baets und Christian Klug von der Universität Zürich. Mit ihren gerade gestreckten Gehäusen waren die Vorfahren der Ammonoideen für Fische eine leichte Beute. Aus diesen ursprünglichen Formen gingen durch Einrollung des Gehäuses die Ammonoideen hervor. Die Einrollung verbesserte ihre Schwimmfähigkeit und gleichzeitig wurde es für die Panzerfische schwieriger, ihre nun viel kompakteren Gehäuse zu fangen.
Im Ammonoideen-Ei wurde zunächst eine ei- bis kugelförmige Anfangskammer angelegt. Noch vor dem Schlüpfen wuchs daran ein Stück Gehäuseröhre; bei ursprünglichen Ammonoideen war diese noch fast gerade, bei späteren Formen wickelte sich diese um die Anfangskammer. Frisch aus dem Ei geschlüpfte Ammonoideen verfügten über wenige, gasgefüllte Kammern. Diese ermöglichten bereits den Jungtieren ein müheloses Schweben im Wasser. Im Laufe ihres Lebens kamen immer mehr Kammern hinzu. Die Ammonoideen selbst lebten im letzten Abschnitt der aufgerollten Gehäuseröhre, der Wohnkammer. Die anderen Kammern dahinter waren mit einem der Luft ähnlichen Gasgemisch gefüllt und dienten der Auftriebsregulierung.
«Der Bau der Ammonoideen ähnelte dem eines Tauchbootes», erklärt De Baets, «denn luftgefüllte Hohlräume neutralisieren auch dort die schweren Metallteile der Aussenwand, welche vor Implosion schützen». Aus strömungstechnischer Sicht eignete sich die eingerollte Form der Ammonoideen immerhin etwas besser für die horizontale Fortbewegung als bei ihren Vorfahren mit geraden, gestreckten Gehäusen.
Kenneth De Baets und Christian Klug haben viele Ammonoideen während ihrer Geländearbeiten gefunden. Manche Prachtexemplare sind bis zu einem knappen halben Meter gross. Sie gehen der Frage nach, wie Ammonoideen im Laufe ihrer Evolution von langgestreckten zu eingerollten Formen kamen und was dies für Auswirkungen auf ihre Lebensweise hatte. Dies liefert ihnen auch Erkenntnisse darüber, wie schnell die Ammonoideen des Devon auf sich verändernde Umweltbedingungen reagiert haben.
Eine Anpassung an die effizienteren Raubtiere ist auch die Rückbildung und Schliessung der so genannten Nabellücke. Die ersten Ammonoideen hatten in der Mitte noch eine grosse Lücke zwischen der Anfangskammer und dem anschliessenden Umgang. Im Zuge der zunehmenden Einrollung schloss sich diese Nabellücke, wodurch das Gehäuse noch kompakter und kleiner wurde.
Die beiden Forscher untersuchten auch die Fortpflanzungsstrategie der Ammonoideen. Anhand der Embryonalgehäuse zogen sie Rückschlüsse auf die Grösse der Eier. Mit deren zunehmender Einrollung ging die Tendenz bei den Ammonoideen zu immer kleineren Embryonalgehäusen und Eiern einher; gleichzeitig, so vermuten De Baets und Klug, nahm die Anzahl der Eier pro Muttertier zu. Ein Weibchen konnte demnach sehr viele Eier produzieren, geschätzt über 200'000 bei manchen grossen Formen; eine ähnliche Anzahl an Nachkommen sind übrigens auch von heutigen Tintenfischen bekannt. Diese Strategie, die man salopp mit «Masse statt Klasse» bezeichnen könnte, war über 300 Millionen Jahre lang sehr erfolgreich. Am Ende der Kreidezeit könnte sie aber dazu beigetragen haben, dass die Ammonoideen ausstarben.
Ein Indiz für diese These ist das noch heute lebende Perlboot (Nautilus). Im Gegensatz zu den Ammonoideen setzt es weniger Nachwuchs in die Welt – meist weniger als zehn Eier –, produziert dafür aber grössere Eier, aus denen grosse, nahe am Boden lebende Jungtiere mit höherer Überlebenschance schlüpfen. So zieht heute der Nautilus weiterhin seine Bahnen durch die Weltmeere, während die Ammonoideen vor 65 Millionen Jahren zusammen mit den Dinosauriern ausstarben.
«In unserer Forschung kombinieren wir biologische, paläontologische und geologische Daten und können so evolutionäre Prozesse in einem grossen Zeitfenster nachvollziehen», sagt De Baets. Das sei auch für andere Forschungszweige, wie zum Beispiel die Biologie, interessant. Schliesslich sei die Meeresfauna auch heute wieder mit grossen Herausforderungen und Umwälzungen konfrontiert.