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Die Ausgangslage kommt einem bekannt vor: ein riesiges Staudammprojekt der Weltbank in den 1980er Jahren in einem abgelegenen Tal in Nepal und eine Protestgruppe, die sich dagegen wehrt. Im Gegensatz zu anderen Grossprojekten sind es aber nicht die betroffenen Talbewohner, die protestieren. Im Gegenteil – diese freuen sich ob der Aussicht auf eine Zufahrtsstrasse, die Elektrifizierung ihrer Dörfer und Arbeitsplätze.
Der Protest kommt von einer Gruppe von Akademikern in der Hauptstadt Kathmandu, die befürchten, die Regierung werde der Weltbank den Kredit – höher als der ordentliche Staatshaushalt – nicht zurückzahlen können. Das Resultat: 1995 zieht die Weltbank das Projekt «Arun-3–Wasserkraftwerk» kurz nach Baubeginn zurück, offiziell wegen ökologischer Bedenken und der möglichen Verletzung indigener Landrechte.
Erneutes Hoffen auf den Strom
Heute, ganze 27 Jahre später, scheint ein nächster Versuch, das Kraftwerk zu bauen, wieder zu misslingen. Zum zweiten Mal hofft die Landbevölkerung auf Strom und Arbeit, und wieder gibt es scheinbar unüberwindbare Hindernisse.
Die nepalesische Regierung hat zwar mit dem grössten indischen Energiekonzern eine Absichtserklärung über den Bau unterzeichnet. Der definitive Vertrag aber steht seit zwei Jahren aus. Die nepalesische Regierung zögert ob der unsicheren Situation des Landes, das ohne Verfassung und legitimiertes Parlament dasteht und fünf Jahren nach dem Bürgerkrieg immer noch in einem unabgeschlossenen Friedensprozess steckt.
«Keine anderes Infrastrukturprojekt in Nepal steht so paradigmatisch für den Wunsch nach Moderne und Entwicklung und die Unmöglichkeit seiner Erfüllung», sagt der Ethnologie Matthäus Rest bei der Präsentation seines noch laufenden Dissertationsprojektes «Water Power: Discourses on Modernity and Development around the Nepalese Arun-3 Hydropower Project».
In seiner Studie zeichnet er detailliert die verworrene Geschichte des Projekts nach. Er will unter anderem die Frage klären, wie es der Zivilgesellschaft in den 1990er Jahren gelang, das Weltbankprojekt gegen den Willen der Mehrheit der Betroffenen im Aruntal zu stoppen.
Die Demokratie beleben
Um Bürgerprotest und seine Wirkung geht es auch in zwei weiteren Dissertationen: Bereits abgeschlossen und für 2013 zur Buchpublikation vorgesehen ist die Arbeit der Ethnologin Claudia Nef. Sie hat in einer 22-monatigen Feldforschung die islamische Studentengruppe der «Hizb ut Tahir» in Indonesien untersucht.
Die Gruppe ist weltweit in über 45 Ländern aktiv und strebt die weltweite Vereinigung der Muslime in einem Kalifat mit Sharia-Rechtsprechung an. Während sie in den meisten Ländern verboten ist, gilt sie in Indonesien seit 2000 als legale Organisation. An der von Nef untersuchten Universität gehört sie sogar zu den sichtbarsten und aktivsten Studierendenvereinigungen.
Nef fand in ihrer Forschung eine Organisation mit extremer Ideologie, die sich aber gleichzeitig mit ihrer Kritik an der Korruption und dem mangelhaften Bildungs- und Gesundheitswesen in Indonesien beachtlicher Sympathien erfreut. «Persönlich hoffe ich, dass sich Hizb ut Tahir mit ihrer Version von Islam gegenüber dem ansonsten moderaten Islam in Indonesien nicht durchsetzen werden. Gleichzeitig ist aber anzuerkennen, dass sie mit ihren streitbaren Thesen die noch junge Demokratie im Land beleben.»
Protest im Wandel
Mit sozialen Protestformen beschäftigt sich auch das noch laufende Dissertationsprojekt der Politologin Linda Maduz. Sie untersucht die Situation in Indonesien, Südkorea und Thailand von 1986 – 2005, als sich alle drei Länder in Richtung Demokratie bewegten und gleichzeitig Protestwellen erlebten.
Maduz zeigt in ihrer Arbeit auf, dass sich mit zunehmender Demokratisierung auch die Formen, die Forderungen, die Akteure und die Adressaten des Protests veränderten. So wurden etwa wirtschafts- und sozialpolitische Themen wichtiger und Petitionen sowie konfrontative Protestformen wie Streiks oder Barrikaden nahmen an Häufigkeit zu.
Der Erfolg war allerdings begrenzt. Zwar gelang des den Akteuren – Gewerkschaften und Berufsgruppen etwa –, die politische Agenda mitzubestimmen. Die politischen Entscheidungen allerdings konnten sie nur dann beeinflussen, wenn sie mit anderen Interessengruppen oder der politischen Elite kooperierten.
Wende zum Körper
Ein geographisch weitaus grösseres und wirtschaftlich potenteres Land als ihre Kolleginnen und Kollegen hat sich Justyna Jaguścik vorgenommen: China. Die Sinologin interessiert sich in ihrer noch laufenden Dissertation für die zeitgenössische Frauenliteratur des Landes.
Anhand von mehreren literarischen Werken zeichnet sie den «body turn» nach: Seit den 1980er Jahren ist in der Frauenliteratur der Volksrepublik China die weibliche Leiblichkeit als neues Thema präsent. «Ein bisher unbetretener Raum der Freiheit begann sich mit der wirtschaftlichen Modernisierung und der Öffnung gegenüber dem westlichen Kulturraum zu öffnen», sagt Jaguścik.
Der neue Freiraum bietet auch Gelegenheit, die eigene Weiblichkeit neu zu kreieren. Die entsprechenden literarischen Werke werden in der körperphobischen Kultur Chinas allerdings immer wieder als Skandal erlebt.
Jaguścik fragt in ihrer Arbeit nach den Charakteristiken dieser zeitgenössischen Frauenliteratur – angesiedelt zwischen dem seit der Moderne neu zugänglichen westlichen Feminismus und der bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts existierenden chinesischen Frauenbewegung.