Navigation auf uzh.ch
Dass Teenager in der Pubertät an Essstörungen erkranken können, ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen. Doch auch ältere Frauen und Männer können davon betroffen sein. Erstaunlicherweise gibt es dazu aber kaum Forschungsprojekte. «Die Forschung über Essstörungen hört ab dem 35 Lebensjahr auf», sagt Psychologie-Professorin Ulrike Ehlert.
Um so wichtiger ist das Projekt ihrer Assistentin Suzana Drobnjak, die in ihrer Dissertation der Frage nachgeht, wann es zu Essstörungen bei Frauen in der Menopause kommt und wie sich diese äussern. Nun liegen die Ergebnisse der ersten Teilstudie vor: Drobnjak fand überraschenderweise heraus, dass nicht nur Frauen mit geringem Selbstbewusstsein ein stark gezügeltes Essverhalten zeigen, sondern auch Frauen mit sehr hohem Selbstbewusstsein.
Frauen nehmen in den Wechseljahren – hormonell bedingt – im Schnitt vier Kilogramm zu, in der Regel um die Taille. Unschöne Ringe sind die Folge. Sie treiben so manche Frau zur Verzweiflung. Der Hunger nimmt unter anderem zu, weil das Hormon Östrogen zurückgeht, das als natürlicher Appetithemmer gilt. «Eine Zunahme von vier Kilogramm macht eine Kleidergrösse aus. Sie können sich vorstellen, dass manche Frauen darunter sehr leiden und das als Stress erleben», erklärt Drobnjak. «Es gibt aber auch solche, die ganz unbeschwert mit ein paar Pfunden mehr leben».
Die Forscherinnen wollten herausfinden, unter welchen Bedingungen Veränderungen in der Menopause zu gezügeltem Essverhalten führen und wann es in eine Essstörung kippt.
Stress beeinflusst das Essverhalten. Wie Frauen mit diesem Stress umgehen, erfragte die Forscherin mit einem standardisierten Online-Fragebogen, den tausend Frauen ausfüllten. 586 der Fragebogen haben die Forscherinnen ausgewertet. «Wir wollten sicherstellen, dass nur Frauen vor oder nach der Menopause mitmachten, um hormonelle Schwankungen während der Menopause auszuschliessen».
Untersucht wurde sowohl das Essverhalten als auch das Rollenverständnis und Selbstwertgefühl. Das Selbstwertgefühl wurde mit einer in der psychologischen Forschung bekannten Skala, der so genannten Rosenbergskala, eruiert.
«Sowohl Frauen mit niedrigem Selbstwertgefühl als auch Frauen mit sehr hohem Selbstwertgefühl reagieren auf die körperlichen Veränderungen der Wechseljahre, indem sie sich beim Essen zügeln», bilanziert Ehlert. Das geht zum Teil so weit, dass Essstörungen daraus resultieren. Ein niedriges Selbstwertgefühl ist in der Forschung zu Essstörungen mit jungen Probandinnen und Probanden ein Prädiktor für mögliches krankhaftes Verhalten. Während Personen mit hohem Selbstwertgefühl aus der bisherigen Forschung nicht als anfällig für gestörtes Essverhalten galten.
Fazit der beiden Forscherinnen: Frauen, die mit ihrem Essverhalten bisher gut zurecht kamen, können durch die Menopause so stark verunsichert werden, dass Essstörungen entstehen oder wieder entstehen, falls sie solche auch schon als Jugendliche oder junge Frauen erlebt hatten. «Es gibt Frauen mittleren Alters, die ihre Essstörung als Jugendliche nie überwunden haben, oder sie wurden nie therapiert», sagt Ehlert. «Es ist zu vermuten, dass sie in den Wechseljahren durch körperliche Veränderungen wieder in alte Muster zurückfallen». Das äussere sich darin, dass einige der befragten Frauen Magersuchtsymptome zeigten. Sie gaben zum Beispiel an, dass sie während mindestens acht Stunden am Tag nichts essen, um ihr Gewicht kontrollieren zu können.
Zudem belasten gesellschaftliche Ansprüche an Schönheit und Attraktivität auch Frauen mittleren Alters. «Sie stehen mitten im Leben und wollen gut aussehen», sagt Drobnjak.