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Neue Erkenntnisse dank verknüpfter Daten

Die «Swiss National Cohort» verknüpft bestehende Daten zum Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung. Damit kann zum Beispiel die Verbreitung von Herz-Kreislauferkrankungen untersucht werden. Der Schweizerische Nationalfonds hat kürzlich das Projekt unter der Leitung des Sozial- und Präventivmediziners Felix Gutzwiller bis Juni 2014 verlängert. Neu im Fokus stehen die Ursachen von Krebsleiden.
Adrian Ritter

Schwarze Balken, freche Bemerkungen oder schlichte Verweigerung: 1990 hatten die Volkszähler das Pech, dass kurz zuvor der Fichen-Skandal aufgeflogen war. Die Boykottaufrufe zeigten jedoch wenig Wirkung. Nur einige Tausend Bürgerinnen und Bürger verweigerten dem Bundesamt für Statistik die gewünschten Auskünfte. Entsprechend umfangreich war die Daten-Ausbeute.

Volksgesundheit: Datenplattform «Swiss National Cohort» im Dienste der Prävention .

Wozu die Daten nützlich sind, zeigt sich heute unter anderem an der «Swiss National Cohort» (SNC). Die Datenplattform lässt das Herz von Epidemiologinnen und Epidemiologen höher schlagen, von Wissenschaftlern also, die sich mit der statistischen Verbreitung von Krankheit und Gesundheit beschäftigen.

Die SNC verknüpft mit Hilfe des Geburtsdatums und weiterer demographischer Variablen erstmals anonymisierte Daten aus den Volkszählungen von 1990 und 2000 mit anderen Datensammlungen, zum Beispiel mit der Todesursachenstatistik des Bundesamtes für Statistik.

Das Resultat: Eine Datenmenge, die 6,4 Millionen (1990) respektive 7,2 Milionen Bürgerinnen und Bürger (2000) und 1 Million Todesfälle umfasst und jährlich aufdatiert wird. Mit ihrer Hilfe untersuchen Forschende, welchen Einfluss sozioökonomische Variablen und Umwelteinflüsse auf die Lebenserwartung und Todesursachen der Schweizer Bevölkerung haben.

Langfristige Datenvergleich möglich

Ins Leben gerufen wurde die SNC im Jahre 2006 von den Sozial- und Präventivmedizinischen Instituten der Universitäten Zürich, Bern, Lausanne, Basel und Genf. Die SNC wird vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert, die Gesamtleitung liegt bei Professor Felix Gutzwiller vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich (ISPMZ).

«Die verknüpften Daten ermöglichen Studien, die bisher nicht möglich waren», sagt Matthias Bopp, seitens der Universität Zürich Projektmanager der SNC: So konnte das ISPMZ nachweisen, dass Menschen in höheren Wohnlagen seltener an Herz-Kreislauferkrankungen sterben. Und die Präventivmediziner der Universität Bern konnten zeigen, dass Menschen, die weniger als 50 Meter von Hochspannungsleitungen entfernt wohnen, leicht häufiger an Alzheimer sterben.

In einer weiteren Studie wiesen die Wissenschaftler nach, dass die Suizidrate von HIV-Infizierten zwar stark gesunken ist, seit die antiretrovirale Therapie existiert, aber immer noch höher ist als in der Durchschnittsbevölkerung.

Besonders attraktiv ist die SNC für Forschende, weil sie ihnen erlaubt, den Einfluss von Messwerten aus früher durchgeführten Studien auf das Sterberisiko in den folgenden Jahrzehnten zu bestimmen. Ein Beispiel dafür ist die MONICA Study (MONItoring CArdiovascular disease) der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Auf der Basis dieser Studie konnte ein Forschungsteam am ISPMZ erstmals für die Schweiz zeigen, dass zwar Adipositas (Fettleibigkeit, Body Mass Index ≥ 30), nicht aber Übergewicht (25 ≤ BMI ≤ 30) mit einer signifikant höheren Sterblichkeit einhergeht.

Krebs im Fokus

Nach der fünfjährigen Startphase hat der Schweizerische Nationalfonds der SNC nun für die folgenden drei Jahre bis Juni 2014 einen Betrag von 1,5 Millionen Franken bewilligt. Dieses Geld wird es gemäss Bopp unter anderem erlauben, die SNC zusätzlich mit den Daten des neuen Nationalen Institutes für Krebsepidemiologie und -registrierung (NICER)zu verbinden.

In den kommenden Jahren sollen die Analysen nämlich auf Krebserkrankungen ausgedehnt werden. Insbesondere wollen die Präventivmediziner mehr darüber erfahren, welchen Einfluss Geschlecht, Alter und Lebensstil bei der Verbreitung von Krebs haben.

Zusätzlich werden auch die Daten der Volkszählung 2010  in die «Swiss National Cohort» integriert werden.

Das «französische Paradox»

Ebenfalls noch wenig erforscht ist der Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauferkrankungen und biologischen, psychischen und sozialen Risikofaktoren. So fällt etwa auf, dass in der Romandie Herz-Kreislauferkrankungen eine seltenere Todesursache sind als in der Deutschschweiz. Die SNC-Forschenden erhoffen sich, dieses «französische Paradox» bald erklären zu können – vielleicht mit dem mediterraneren Lebensstil, der sich unter anderem in einer gesünderen Ernährung der Romands zeigt?

«Die Schweiz bietet mit ihrer kulturellen Vielfalt ein ideales Umfeld für solche Studien», sagt Bopp. Die SNC sei zwar nicht so umfassend wie die Gesundheitsinformationssysteme der skandinavischen Länder, biete aber dennoch deutlich mehr Möglichkeiten der Analyse als dies in fast allen anderen europäischen Ländern der Fall ist.