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Die verschleierte Frau steht als Symbol für die Bedrohung westlicher Werte. Inwiefern hat die Verschleierung mit Unterdrückung zu tun?
Es ist wichtig, auf Benachteiligungen von Frauen in westlichen aber auch islamisch geprägten Kulturen hinzuweisen und Menschenrechtsverletzungen, die immer auch eine geschlechtsspezifische Komponente haben, kenntlich zu machen.
In den westlichen Medien werden jedoch klischeehafte Bilder verschleierter Frauen oft als Illustration für die Unterdrückung in muslimischen Ländern der «freiheitlichen westlichen Gesellschaft» gegenübergestellt. Solche Bilder sind nicht geeignet, auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, sondern dienen eher dazu, sie zu stabilisieren.
Man vergisst auch, dass es in muslimischen Ländern ganz unterschiedliche Formen der Verschleierung gibt, die nur teilweise mit staatlichen oder anderen Formen des Zwangs zu tun haben. Ausserdem tragen muslimische Frauen ihren Schleier auch, um sich bewusst gegen die westliche Politik abzugrenzen und die eigene Identität zu zeigen. Der Schleier ist in diesem Fall ein Symbol für die eigene Wertigkeit.
Welche Praktiken des Verschleierns gibt es in der westlichen Welt?
In der westlichen Welt gibt es auch heute noch verschiedene Formen der Verschleierung: man denke etwa an den Hochzeitsschleier. Dahinter steckt die Imagination weiblicher Reinheit und Keuschheit.
Steht im Westen nicht eher die entblösste Frau im Vordergrund?
Ja, seit dem 19. Jahrhundert gewinnt in der westlichen Gesellschaft der entschleierte oder der nackte Körper der Frau zunehmend an Bedeutung. Der enthüllte weibliche Körper symbolisiert dabei häufig die «Freiheit» oder «Wahrheit». Die Symbole haben aber nichts mit tatsächlicher Freiheit von Frauen zu tun.
Veranschaulichen mag dies eine Darstellung aus dem Buch «Allegorien und Embleme» von 1882 – einem seinerzeit wichtigen Nachschlagewerk für Künstler. «Wahrheit und Lüge» werden hier durch zwei weibliche Körper symbolisiert. Die nackte hellhäutige Frau symbolisiert mit ihrem hocherhobenen Spiegel und ihrem blonden Haar, das wie eine Strahlengloriole den Körper umrahmt, die Wahrheit.
In einer Geste des Sieges hat sie den Fuss auf die Maske der Lüge gestellt, die durch die zu Boden gestürzte Orientalin im Hintergrund verkörpert wird. Deren Schleierschmuck steht hier für «Unwahrheit» und «Sünde« schlechthin. Solche Bilder wirken bis heute nach.
Die geheimnisvolle und sinnliche Haremsfrau wurde verstärkt seit dem 19. Jahrhundert aus der westlichen Perspektive gezeichnet, gleichzeitig wurde auch das Bild der unterdrückten Frau mit Schleier verwendet. Beide Bilder, die sinnliche Orientalin und die unterdrückte Orientalin wurden und werden der vermeintlich emanzipierten und befreiten Frau im Westen entgegengesetzt.
Der Ganzköperschleier, die Burka, ist stark umstritten und wurde in Belgien verboten, in Frankreich diskutiert man das Verbot. Was halten Sie von einem Verbot?
In der Politik wird behauptet, dass man mit dem Verbot etwas für die Emanzipation von Frauen tun möchte. Ich finde jedoch, wenn man etwas für die Gleichstellung tun möchte, sollte man für Integration eintreten und nicht ein Kleidungsstück verbieten. Ein solches Verbot kann Frauen, die dieses Kleidungsstück – aus unterschiedlichen Gründen – tragen, sogar Probleme bereiten oder sie Konflikten aussetzen.