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Das Transportieren von Gütern war in vergangenen Zeiten eine unsichere Sache. Um zu garantieren, dass zumindest ein Teil der Ware ihr Ziel erreichte, wurde eine Lieferung deshalb nicht selten aufgeteilt und verschiedenen Spediteuren anvertraut. Arabische Schriftstücke aus dem 7. bis 16. Jahrhundert geben einen Eindruck, wie der Handel am Roten Meer damals abgewickelt wurde und welche Strategien Händler benutzten. Sie sind ein Teil eines weltweiten Korpus von rund 130'000 arabischen Papyrus- und Papierdokumenten aus dieser Zeit.
Die Schriftstücke, darunter Briefe, amtliche Schreiben und Listen, geben Einblicke in den arabischen Alltag vergangener Zeiten. «Im Gegensatz zu hochliterarischen philosophischen und theologischen Werken, die über die Jahrhunderte hinweg immer wieder kopiert und so auch gefiltert wurden, handelt es sich bei diesen Dokumenten um Originale», sagt Andreas Kaplony, «sie geben einen direkten Eindruck damaliger Lebensumstände.» Für Historiker und Philologen sind solche Schriftstücke deshalb begehrte Quellen für ihre Forschung.
Bis jetzt hat die weltweite Forschergemeinschaft gegen 2000 dieser 130'000 Papyrus- und Papier-Dokumente in Büchern ediert und kommentiert. Der Orientalist und Mittelalterspezialist Andreas Kaplony ist nun damit beschäftigt, die bislang edierten Texte zu bündeln und auf einer weltweit einzigartigen Datenbank, der «Arabic Papyrology Database» (APD), zusammenzustellen und Forschern und Interessierten aus aller Welt frei zugänglich zu machen. Unterstützt wird er dabei neu von der amerikanischen Andrew W. Mellon Foundation. Die Stiftung hat Kaplony in diesem Sommer einen Unterstützungsbeitrag von rund 499’000 Dollar für den weiteren Ausbau der Datenbank zugesichert.
Zirka 800 Texte haben Kaplony und sein sechsköpfiges Team bereits aufbereitet und auf APD online ediert. In den nächsten zwei Jahren sollen nun 800 weitere Schriftstücke dazukommen. Jeder Eintrag in der Datenbank besteht aus dem Originaltext mit verschiedenen Lesarten, einer phonetischen Transkription des Originals, der Übersetzung und einem Lexikon. Letzteres erlaubt es, dass bestimmte Begriffe auch in anderen, in der Datenbank gespeicherten Texten gesucht werden können.
Darüber hinaus soll die Online-Plattform der Orientalisten künftig mit weiteren, bereits bestehenden Datenbanken verknüpft werden. Denn im Gegensatz zum Arabischen, gibt es seit längerem Datenbanken mit edierten antiken Alltagstexten in Griechisch und Latein. Durch die Vernetzung soll in Zukunft eine sprach- und zeitübergreifende Suche von Texten und Begriffen ermöglicht werden. «Das ist vor allem interessant, wenn man kulturelle Kontinua untersuchen will», sagt Andreas Kaplony. So stand etwa das frühmittelalterliche Ägypten zuerst unter griechischer, römischer und byzantinischer Herrschaft und wurde erst im 7. Jahrhundert von den Arabern erobert und in der Folge arabisiert. Eine vernetzte Datenbank könnte helfen, noch mehr Licht in diese historischen Zusammenhänge zu bringen.
Die Unterstützung seines Projekts durch die Andrew W. Mellon Foundation hat Forscher Andreas Kaplony auch inhaltlich als gewinnbringend empfunden. Zwar ist die Stiftung mit ihrer Idee, die Datenbank zu unterstützen, zuerst auf den Zürcher Forscher zugekommen. Nach der ersten Anfrage musste Kaplony das Projekt auf Betreiben der Stifter aber mehrmals straffen und stärker profilieren – für den Forscher eine gute Gelegenheit, sein Vorhaben nochmals genau zu überdenken und auszufeilen.
Hilfreich war auch der Support durch die Stabsstelle Strategie und Fundraising, die Andreas Kaplony erfahren hat. Leiterin Katrin Züger hat ihn bei der Kommunikation mit der Stiftung unterstützt. Gleichzeitig hat sie alle Formalitäten an der Universität Zürich – bis zum Einholen der notwendigen Unterschriften des Rektors – erledigt. «Sie machte es möglich, dass letztlich nicht ich allein als einzelner Forscher hinter der Zusammenarbeit stehe, sondern die ganze Institution UZH», sagt Andreas Kaplony, «das gibt dem Projekt gegenüber der Stiftung das nötige Gewicht.»
Dank dem Beitrag der Andrew W. Mellon Foundation laufen die Arbeiten an der Arabic Papyrology Database momentan auf Hochtouren, und die Forscher hoffen, das gesteckte Ziel in den nächsten zwei Jahren erreichen zu können. Andreas Kaplony will diese Zeit auch nutzen, um den Nachwuchs in der arabischen Papyrus-Forschung weiter aufzubauen. Denn schon seit einiger Zeit bietet der Zürcher Professor Online-Seminare an, an denen Studierende etwa aus Usbekistan, Nigeria, Belgien und der Schweiz gemeinsam alte arabische Schriftdokumente lesen und interpretieren. Der Orientalist, der sich mit schriftlichen Zeugnissen längst vergangener Zeiten beschäftigt, weiss so die Möglichkeiten der heutigen Kommunikationstechnologien für seine Forschung optimal zu nutzen.