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Symposium Zivilcourage

Beherzt für ethische Werte eintreten

Brigitte Woggon, Professorin für Pharmakotherapie und Präsidentin der Gleichstellungskommission der UZH, ist emeritiert. Ihr zu Ehren wurde am vergangenen Mittwoch ein Symposium zum Thema Zivilcourage abgehalten.
Brigitte Blöchlinger

Mit einem Symposium geehrt: Prof. Brigitte Woggon, im Gespräch.

Es kommt nicht oft vor, dass eine Professorin bei ihrer Emeritierung ein Symposium geschenkt bekommt, dessen Thema sie sich auch noch wünschen kann. Brigitte Woggon ist so eine Ausnahme, und als Symposiumsthema wünschte sie sich «Zivilcourage».

Die Schenkenden bzw. Organisatorinnen waren die Leiterin der UniFrauenstelle – Gleichstellung von Frau und Mann, Elisabeth Maurer, und die derzeitige Präsidentin der Gleichstellungskommission der Universität Zürich (UZH), Prof. Brigitte Tag. Die beiden fragten die gewünschten Professorinnen und Professoren an – und erhielten «keine einzige Absage», wie Elisabeth Maurer am Symposium zufrieden sagte.

Selbstschutz und Rechtsstaatlichkeit 

Die Referentinnen und Referenten umkreisten das Thema Zivilcourage aus verschiedenen Blickwinkeln und entwarfen so ein facettenreiches Bild der seltenen Tugend.

«Zivilcourage ist eng mit dem Recht verknüpft»: Prof. Brigitte Tag.

Das Recht zum Beispiel ist nicht automatisch auf Seiten der Zivilcouragierten, gab die Strafrechtlerin Brigitte Tag in ihrem Vortrag zu bedenken. Zivilcourage ist zwar eng mit dem Recht verknüpft, wird vom Recht aber nicht immer honoriert. Whistle-blowing zum Beispiel, dass «Verpfeifen» einer vorgesetzten Person, die Missstände zulässt, ist so ein heikler Bereich. Beim Whistle-blowing bewegt sich die Zivilcourage rechtlich gesehen nahe beim Ausplaudern von Interna, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Das Recht ist aber auch nicht starr und unveränderbar. Wenn eine rechtliche Situation unerträglich wird, werden sich breite Teile der Gesellschaft dagegen auflehnen und eine Rechtsänderung erzwingen. Zivilcourage könne damit zum Motor werden, Gesetze zu ändern, sagte Brigitte Tag.

Zürcher Zivilcourage-Training

Dass man sich in Unrechtsituationen besser nicht mit Gewalt durchsetzt, machte die Psychologieprofessorin Veronika Brandstätter klar. Sie erörterte in ihrem Statement, dass es reicht und schon ein Akt der Zivilcourage ist, wenn man in einer eskalierenden Situation nicht wegschaut, sondern die Polizei benachrichtigt. Oder sich kundig macht, wo die streitenden und prügelnden Personen Hilfe in ihrer verfahrenen Situation erhalten können.

Angemessenes zivilcouragiertes Verhalten lässt sich lernen und einüben, erklärte Veronika Brandstätter. Das Psychologische Institut bietet ein entsprechendes Training an.

Wichtige Rolle der Medien

An der Tagung wurde mehrfach die Rolle der Medien angesprochen. Einige Symposiumsteilnehmende vermissten in der heutigen Medienberichterstattung das Thema Zivilcourage. Es werde vor allem über Übergriffe berichtet, wo die Beteiligten keine Zivilcourage zeigten oder wo sie nicht erfolgreich waren.

Prof. Otfried Jarren: Zivilcourage – (k)ein Thema für die Medien?

Der Medienwissenschaftler und Prorektor Geistes- und Sozialwissenschaften Otfried Jarren gab allerdings in seinem Referat zu bedenken, dass das proaktive Eingreifen kein zentrales Element des Journalismus ist und dass das Rollenbild des investigativen, zivilcouragierten Reporters heute nur mehr sehr schwach entwickelt ist. Immer mehr Journalistinnen und Journalisten würden sich heute als Dienstleister und reine Vermittler aktueller Meinungstrends sehen und weniger als sozialengagierte Akteure zugunsten benachteiligter Gruppen, referierte er eine aktuelle Studie.

Öffentlichkeit für zivilcouragiertes Handeln

Jarren betonte jedoch, dass Journalismus trotz allem auf Norm- und Regelverletzungen aufmerksam machen und diese analysieren und einbetten müsse, zum Beispiel in Leitartikeln und Kommentaren. Dabei habe Journalismus auf zentrale gesellschaftliche Normen zu fokussieren wie Gesetzestreue, die Menschenrechte und Toleranz in multikulturellen Gesellschaften. Die Bevölkerung könne ihren Teil beisteuern, indem sie eine engagierte Berichterstattung auch einfordere und zivilcouragierte Medien unterstütze.

Fehlende Meinungsfreiheit in Iran

Dass wir in der Schweiz in geradezu paradiesischen Verhältnissen leben, was die Reaktion des Staates auf Zivilcourage anbelangt, betonte die Universitätsrätin Myrtha Welti. Sie sprach in einer Videoaufzeichnung zu den Symposiumsteilnehmenden, denn sie weilte zur Zeit des Symposiums in Teheran, wo ihr Mann Botschafter gewesen ist. In Iran sei die freie, mutige Rede der Bürgerinnen und Bürger in keiner Weise gewährleistet; regimekritische Stimmen beispielsweise würden sofort mundtot gemacht.

Zivilcourage in der Forschung

Doch auch in Europa und in den USA bietet sich Gelegenheit genug, Zivilcourage zu zeigen, machte Toxikologieprofessor Felix Althaus in seinem Vortrag deutlich. Nicht nur während des Nationalsozialismus sei Zivilcourage gefragt gewesen, als es darum ging, dem Führer die Gefolgschaft zu verweigern. «Das Böse braucht das Schweigen der Mehrheit», mit diesem Votum des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan anlässlich des 60. Gedenktages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gab Althaus zu bedenken, dass es auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute Situationen gibt, in denen sie zwischen einer ethisch verantwortungsvollen Haltung und Mainstream-Denken abwägen müssen.

Auch heute noch ist Zivilcourage in der Forschung wichtig: Prof. Felix Althaus, ehemaliger Leiter des NFP 50, Hormonaktive Substanzen.

Erfolgreicher Ausgang

Als Beispiel nannte Althaus die ersten drei Forscherinnen und Forscher, die unabhängig voneinander in Experimenten herausfanden, dass hormonaktive Substanzen die Zeugungsfähigkeit von Mensch und Tier beeinträchtigen und dass diese Substanzen in Plastikbehältern, UV-Filtern in Kosmetika oder in Gewässern vorkommen. Die Industrie war von diesen Resultaten natürlich gar nicht angetan und bekämpfte sie. Die drei Forschenden zeigten jedoch Zivilcourage und erfuhren schliesslich, nach Jahren der Ungewissheit, wie der ungleiche Kampf ausgehen würde, Anerkennung für ihre Arbeit. Welche hormonaktiven Substanzen verboten werden sollen, darum wird immer noch gerungen.

Mehr Zivilcourage im Alltag

Es gibt also auch in der Forschung genügend Gelegenheiten, Zivilcourage zu zeigen. Etwas mehr davon, auch im Alltag, wünschte sich die mit dem Symposium geehrte Brigitte Woggon, die sich selbst als nicht besonders zivilcouragiert einstufte.

Anderer Meinung war da Rektor Andreas Fischer: Er habe Brigitte Woggon immer als eine Person erfahren, die ihre Anliegen mutig zu vertreten wusste.  Und mit einem Augenzwinkern fügte er an: fast schon wie eine «Mutter Zivilcourage».