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Bildungsforschung

Eine Chance für Kombinierer

Im Frühjahr 2008 wurden im Kanton Zürich bei der zentralen Aufnahmeprüfung fürs Langzeitgymnasium erstmal die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler getestet. Für Bildungsexperte Urs Moser stellt der Test eine sinnvolle Ergänzung zum fachlichen Prüfungsteil dar.
Marita Fuchs

Nach der sechsten Primarschulklasse teilen sich im Kanton Zürich die Bildungswege: Langzeitgymnasium oder Sekundarschule. Etwa 14 bis 15 Prozent aller Schülerinnen und Schüler der Primarschule entscheiden sich für das Langzeitgymnasium. Doch ins Gymi kommt nur, wer die Aufnahmeprüfung besteht. Um für alle Jugendlichen im Kanton Zürich die gleichen Zugangsbedingungen zu schaffen, wurden die bisher dezentral ausgearbeiteten Aufnahmeprüfungen vereinheitlicht. Im Frühjahr 2008 legten die Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal die zentrale Prüfung und einen zusätzlichen Test ab, der ihre allgemeinen kognitiven Fähigkeiten («AKF-Test») prüfte.

Bildungsexperte Urs Moser entwickelte eine neue Prüfung, um die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zu testen.

Gefragt: logische und kombinatorische Fähigkeiten

Dieser neue Test wird zunächst während einigen Jahren erprobt und hat in dieser Zeit noch keinen Einfluss auf den Aufnahmeentscheid. Entwickelt wurde das Testverfahren von Urs Moser, Geschäftsführer des Instituts für Bildungsevaluation, einem assoziierten Institut der Universität Zürich. «Der Test prüft anhand anschaulicher Aufgaben aus dem Alltagsleben der Schüler fachübergreifende logische und kombinatorische Fähigkeiten. Gefragt ist zudem Kreativität und Konzentrationsfähigkeit.» Formal gesehen stehe die Prüfung zwischen einem sprachfreien Intelligenztest und einem Pisa-Test, erklärt Moser. Sinn und Zweck des Zusatz-Testes: Er soll jenen begabten Schülerinnen und Schülern entgegenkommen, die bisher in den fachlichen Prüfungen ihre Fähigkeiten nicht genügend unter Beweis stellen konnten und soll damit zur Chancengleichheit beitragen.

Die Nachhilfe-Industrie austricksen

Fachlich geprüft wird nach wie vor der Stoff der Primarschule, dazu gehören etwa ein Aufsatz, Mathematikaufgaben und Übungen zum Sprachverständnis. Die Aufnahmeprüfung ist so konzipiert, dass die Aufgaben ohne sicher sitzendes Basiswissen nicht gelöst werden können. Dieses Wissen ist Grundvoraussetzung für ein Bestehen der Prüfung, doch gehen die dort gestellten Aufgaben noch einen Schritt weiter: Um eine Lösung zu finden, müssen die verschiedensten Elemente des Primarschulwissens miteinander kombiniert werden. Das kann eingeübt werden. Viele Eltern besorgen sich deshalb den Prüfungsstoff vergangener Jahre und pauken mit ihren Sprösslingen, bis der Lösungsweg sitzt. Ein anderer und bedeutend kostspieligerer Weg führt über sogenannte Lernstudios. Privatanbieter bereiten die Kinder hier systematisch auf die Prüfung vor.

Die Vornoten werden bei der Zulassung zum Gymnasium ebenfalls zur Hälfte berücksichtigt, trotzdem stellt die Prüfung für die Kinder eine grosse Hürde dar. Diejenigen, die gezielt üben, haben bessere Chancen. Urs Moser hofft, durch seinen AKF-Test auch die Chancen derjenigen Kinder zu verbessern, sich die sich nicht gezielt auf die Prüfung vorbereiten konnten.

Damit die Lernstudios nicht auch den AKF-Test einstudieren, und damit den Chancen-Ausgleich wieder zunichte gemacht hätten, legte Urs Moser grossen Wert darauf, den AKF-Prüfungsstoff nicht öffentlich zu machen. Alle involvierten Personen, wurden zum Schweigen verpflichtet, niemand durfte den Stoff des AKF-Tests per Mail verschicken. «Alle Kinder sollen den gleichen Stand haben», begründet Moser seinen Entscheid. «Nur so können wir gerecht beurteilen.»

Kognitiv brillant, versagt fachlich

Erste Ergebnisse zeigen nun, dass von insgesamt 1952 Schülern, die im Frühling 2008 die Prüfung erfolgreich absolviert haben, der grosse Teil auch in Mosers AKF-Test gut abschnitt. Zu denken gibt Moser jedoch, dass einige der Prüflinge, die im fachlichen Teil sehr schlecht waren und die Prüfung nicht bestanden, seinen Test brillant meisterten. «Bei diesen Kindern – die ja ihre kognitiven Fähigkeiten bewiesen haben – ist entweder in der schulischen Vorbereitung etwas schief gelaufen», vermutet Moser. «Oder die Kinder waren aus irgendwelchen Gründen nicht motiviert». Das will das Expertenteam um Moser nun genauer untersuchen. Die Ergebnisse fliessen in den nächsten Test vom Frühjahr 2009 ein.

Moser hofft mit dem AKF-Test auf Dauer auch Vorhersagen über das Abschneiden der Kinder während der Probezeit machen zu können, denn nach bestanderer Prüfung müssen sich die Schüler für zwei Monate im schulischen Alltag bewähren. Erst nach bestandener Probezeit dürfen sie im Langzeitgymnasium bleiben. Ein grosser Stress für alle Beteiligten.