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Unsere Fähigkeit den Mitmenschen zu vertrauen, hält die Gesellschaft im Innersten zusammen. Ohne die Annahme, dass ein Gegenüber uns grundsätzlich wohl gesonnen ist, geht in der Liebe, aber auch in Wirtschaft oder Politik jedenfalls gar nichts. Doch woher stammt unser Vermögen einem anderen Vertrauen zu schenken? Und wie unterstützt unsere Biologie die Vertrauensbildung? Solchen Fragen sind Forscher des Universitären Forschungsschwerpunkts «Grundlagen des menschlichen Sozialverhaltens» der Universität Zürich in der Vergangenheit in verschiedenen Studien nachgegangen.
So wiesen die beiden Ökonomen Ernst Fehr und Michael Kosfeld gemeinsam mit dem Psychologen Markus Heinrichs 2005 in einer Aufsehen erregenden, im prestigeträchtigen Wissenschaftsmagazin «Nature» veröffentlichten Untersuchung nach, dass das Neurohormon Oxytocin, das von der Hirnanhangdrüse abgesondert wird, das Vertrauen in unsere Mitmenschen wesentlich erhöht. Das körpereigene Oxytocin gilt als typisches Sozialhormon: Es unterstützt die elterliche Fürsorge, es hilft aber auch, soziale Nähe herzustellen und Partner aneinander zu binden. Nachdem amerikanische Forscher die soziale Wirkung von Oxytocin bei Präriewühlmäusen nachweisen konnten, gehörten die Zürcher Forscher allen voran der Psychologe und Hormonforscher Markus Heinrichs weltweit zu den Ersten, die den Einfluss des Neuropepitids auch in Experimenten mit Menschen nachweisen konnten.
In den bisherigen Experimenten der Zürcher Forscher ist klar geworden, dass Oxytocin das Vertrauen in andere Menschen und die Bereitschaft, in sozialen Interaktionen Risiken einzugehen, erhöht. Unklar war bislang aber, was dabei im Gehirn vorgeht. Ungewiss war auch, ob das Neurohormon seine Wirkung auch dann noch entfaltet, wenn das geschenkte Vertrauen offenkundig missbraucht wurde. In einer Studie, die gestern im renommierten Wissenschaftsmagazin «Neuron» erschienen ist, konnte der Neuropsychologe Thomas Baumgartner gemeinsam mit Markus Heinrichs und Ernst Fehr diese offenen Fragen nun klären.
Grundlage für die Studie waren Vertrauens- und Risikospiele, die in leicht abgeänderter Form bereits in der «Nature»-Studie von 2005 verwendet wurden. Im Vertrauensspiel agierten 49 männlichen Probanden als Investoren – ein Teil von ihnen schnupfte vor dem Experiment einen handelsüblichen Oxytocin-Nasenspray, der andere Teil erhielt ein wirkstoffloses Placebo: Die Investoren konnten nun einem Treuhänder einen kleineren oder grösseren Geldbetrag anvertrauen (0, 4, 8 oder 12 Geldeinheiten). Wurde ein Betrag überweisen, verdreifachte der Experimentator die Summe. Der Treuhänder konnte den so entstehenden Gewinn nun fairer Weise mit dem Investor teilen, er hatte aber auch die Möglichkeit alles in die eigene Tasche zu stecken und den Spielpartner leer ausgehen zu lassen. Der Investor, der darum wusste, musste also das Risiko eingehen, betrogen zu werden. Im Risikospiel wurde derselbe Ablauf wiederholt – einziger Unterschied: Anstelle eines Treuhänders entschied ein Computer per Zufallsprinzip, ob der Gewinn geteilt wurde oder nicht.
In Baumgartners Experiment spielten die Probanden je 12 Runden des Vertrauens- und des Risikospiels. Während dieser Zeit wurden die Hirnaktivitäten der Teilnehmer von einem funktionellen Magnetresonanz-Tomographen aufgezeichnet. Nach der Hälfte der Spielzeit – nach also je sechs Spielrunden – erhielten die Probanden die Mitteilung, inwiefern sich ihr Vertrauen in die Treuhänder beziehungsweise das Risiko, den Entscheid über Gewinn und Verlust einem Computerprogramm zu überlassen, gelohnt hat oder nicht. Sowohl in der Placebo- als auch in der Oxytocin-Gruppe wurde das Vertrauen der Investoren im Durchschnitt in jeder zweiten Spielrunde missbraucht, respektive erbrachte das Risikospiel keinen Ertrag.
Nach dieser Information wurden nochmals je sechs weitere Runden gespielt. Was sich dabei zeigt: Während das Verhalten der Probanden im Risikospiel sich kaum veränderte – sowohl die Oxytocin- als auch die Placebo-Gruppe investierten etwa gleich wie zuvor –, konnte im Vertrauensspiel eine dramatische Verhaltensänderung beobachtet werden. Probanden, die bloss den Placebo-Spray geschnupft haben, handelten nach dem erfahrenen Vertrauensbruch deutlich vorsichtiger und investierten deutlich weniger als zuvor. Im Gegensatz dazu blieb das Vertrauen der Oxytocin-Gruppe in die Treuhänder ungebrochen.
Verändert hat sich aber nicht nur das Verhalten der Probanden, sondern auch die Hirnaktivitäten, die der funktionelle Magnetresonanz-Tomograph aufzeichnete. «Wir konnten ein eindeutiges neuronales Korrelat für die beobachtete Verhaltensänderung finden», sagt Thomas Baumgartner. Wie sich zeigte, ging das sinkende Vertrauen der Placebo-Gruppe mit einer verstärkten Aktivierung der Amygdalae – der so genannten Mandelkerne – und des dorsalen Caudatus einher. Hirnregionen also, die bei der Entstehung von Angst (Amygdala) und bei der Verhaltensanpassung nach einem negativen Erlebnis (Caudatus) erfahrungsgemäss eine wichtige Rolle spielen. Bei den Probanden, die unter Einfluss von Oxytocin standen, fand diese Aktivierung nicht statt.
Die Untersuchung konnte so ein klares Zusammenspiel von neuronalen Prozessen und menschlichem Verhalten nachweisen – und sie konnte zeigen, dass Oxytocin auch nach einem mittleren Vertrauensbruch wirkt. Dieser Befund ist auch insofern bemerkenswert, als dass das Neurohormon nur in sozialen Interaktionen zwischen Investor und Treuhänder seine Wirkung entfaltete – bei der Interaktion mit dem Computer spielte es keine Rolle. Thomas Baumgartner ist es so gelungen, ein weiteres Schlaglicht auf die Biologie unseres Vertrauens zu werfen. Neben der Grundlagenforschung könnte dieses Wissen künftig auch für die Klinik relevant sein: Oxytocin könnte – so hoffen die Forscher – die Therapie von Menschen mit grossen sozialen Ängsten – Sozialphobiker etwa oder Autisten – unterstützen.