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Rund 66`000 Musliminnen und Muslime leben gemäss der Volkszählung 2000 im Kanton Zürich, viele von ihnen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei. Das starke Wachstum dieser Bevölkerungsgruppe zwischen 1970 und 2000 habe sich seit der Jahrtausendwende verlangsamt, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie, die unter der Leitung des Institutes für Politikwissenschaft der UZH entstand.
Von einer grundsätzlichen Benachteiligung muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger könne nicht gesprochen werden. Der Alltag und das öffentliche Leben seien allerdings «häufig unbewusst durch christliche Tradition beeinflusst», was bisweilen zu Problemen führe.
So werde man den Bedürfnissen der muslimischen Bevölkerung beispielsweise bei der Praxis der Bestattung nicht immer gerecht. Die Bestattungsverordnung verlange zwar die Gleichbehandlung auf öffentlichen Friedhöfen. In der Mehrheit der Gemeinden bestehe aber keine Möglichkeit, sich nach den eigenen Ritualen, wie dem Begräbnis in einem Tuch oder in einem abgetrennten Grabfeld, bestatten zu lassen.
Kopftuch als Hindernis
In vier Teilstudien wurde die Situation in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Sozialhilfe sowie Straf- und Massnahmenvollzug untersucht. Dabei zeigte sich eine Diskriminierung, indem die Sozialbehörden bisweilen Probleme haben, kopftuchtragende Klientinnen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zahlreiche Arbeitgebende seien offensichtlich nicht bereit, ihnen eine Arbeits- oder Lehrstellen anzubieten.
Was den Bezug von Sozialhilfegeldern anbelangt, so stellt die Studie fest, dass unter Musliminnen und Muslimen öfter als bei anderen Bevölkerungsgruppen anstelle von staatlicher Unterstützung Hilfe von privater Seite und innerhalb der Familie geleistet wird.
Sensibilisierte Spitäler
Die Gesundheitsversorgung werde von der muslimischen Bevölkerung mehrheitlich positiv aufgenommen. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Spitäler ihren Bedürfnissen gegenüber sensibilisiert seien. Eine religiöse Betreuung für muslimische Patientinnen und Patienten ist allerdings in den Spitälern selten vorhanden oder zuwenig bekannt.
Was die Bildung anbelangt, so anerkennen die Autorinnen und Autoren, dass die Zürcher Bildungsdirektion mit den 1989 erarbeiteten Richtlinien zum Umgang mit muslimischen Kindern und Eltern mögliche Konfliktfelder schon früh erkannt habe. Entsprechend bestehe in der Bildung wenig Handlungsbedarf.
Imam und Pfarrer im Vergleich
Am Beispiel der Strafanstalt Pöschwies untersuchte eine Teilstudie die Situation von Musliminnen und Muslimen im Strafvollzug. Der Anteil der muslimischen Strafgefangenen in der Pöschwies lag 2008 bei 32 Prozent. Die Anstalt habe bereits eine Reihe struktureller Anpassungen vorgenommen, um die Religionsausübung für muslimische Insassen möglichst umfassen zu gewährleisten. Allerdings sei die Präsenzzeit der Imame kürzer als diejenige der Gefängnispfarrer.
Diversity Management
Die Studie enthält Empfehlungen zur Verbesserung der Situation. Diese reichen von konkreten Vorschlägen, beispielsweise Rückzugsräumen für Gebete in Spitälern oder einem festangestellten Imam in der Strafanstalt, bis zum Vorschlag, der Kanton solle ein Konzept zum Umgang mit religiöser und kultureller Diversität («Diversity Management») erstellen.
Gewisse Schwierigkeiten sind gemäss der Studie weniger auf religiöse denn auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen. Zu bedenken ist etwa, dass die in der Schweiz lebenden Muslime aus über 100 Ländern und somit aus ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen stammen.
Der Regierungsrat will in einem nächsten Schritt diejenigen Bereiche festlegen, in denen weitere Untersuchungen nötig sind. Die Studie hat gezeigt, dass statistische Angaben zur muslimischen Bevölkerung im Kanton Zürich wie auch in der Schweiz weitgehend fehlen.