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Die durch das Bakteium Chlamydophila abortus verursachte Krankheit ist unter Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen weit verbreitet, in der Schweiz sind fast ein Fünftel des Schafbestandes infiziert, im Kanton Graubünden gar 41 Prozent. Allein dort betrifft die Seuche 80'000 Schafe. Die ansteckende Tierkrankheit führt zu Fehlgeburten bei Wiederkäuern oder dazu, dass die Lämmer kaum überlebensfähig sind. Aus dem Kanton Graubünden ist auch ein Fall einer Übertragung auf eine Frau bekannt. Eine schwangere Betriebshelferin erlitt eine Fehlgeburt, weil sie sich mit dem Baktrium angesteckt hatte. Sie hatte Mutterschafen beim Lammen geholfen und infizierte sich selbst mit dem Erreger.
Die hohe Infektionsrate im Kanton Graubünden erklärt sich Nicole Borel, die als Expertin beim neu ernannten internationalen Referenzlabor für Chlamydien-bedingten Abort bei Schafen arbeitet, mit dem Zusammentreiben vieler Herden im Sommer auf der Alp: «Durch den engen Kontakt wächst die Gefahr einer Ansteckung mit Chlamydophila abortus.» Die Erreger übertragen sich über die Schleimhäute und sind auch ohne ihren Wirt bis zu drei Monaten überlebensfähig. Sie überdauern im Gras oder auch auf Maschinen.
Dass sich Infektionskrankheiten bei Tieren nur durch international koordinierte globale Strategien bekämpfen lassen, hat bereits 1924 zur Bildung des «Office International des Epizooties» (OIE) geführt, das 2003 in «World Organisation for Animal Health» umbenannt wurde. Diese Weltorganisation für Tiergesundheit ist eng verzahnt mit den staatlichen Veterinärämtern und vertritt 169 Länder. Ihre Aufgabe besteht in der länderübergreifenden Abwehr von Seuchen.
Dazu gehört auch ein Netzwerk wissenschaftlich fundierter Kompetenzzentren, wie das neue Referenzlabor am Institut für Veterinärpathologie. «Die durch Chlamydien bedingten Aborte bei Schafen, ihre Verbreitung und Diagnostik, gehört zu den Forschungsschwerpunkten an unserem Lehrstuhl», sagt Professor Andreas Pospischil. Als nationales Referenzzentrum ist das Institut für Veterinärpathologie schon seit zehn Jahren anerkannt. «Dass wir jetzt auch international Verantwortung übernehmen, stärkt unsere Stellung und bereichert unsere wissenschaftliche Arbeit.»
Schon jetzt kommen Anfragen aus aller Welt. «Bei Stieren in Ägypten wurden Antikörper gegen Chlamydien im Blut entdeckt. Wir wurden gefragt, wie hoch das Gefahrenpotential für den Tierbestand sei und wie weiter verfahren werden soll», sagt Nicole Borel. Sie selbst untersucht Gewebeproben um Ergebnisse zu verfizieren und spricht sich mit den Veterinären vor Ort ab. Wirtschaftlich gesehen birgt Chlamydophila abortus ein hohes Risiko, die Landwirte fürchten nicht nur finanzielle Einbussen. «In Afrika und Asien zum Beispiel sind die Schaf- und Ziegenbestände für ganze Familien Nahrungs- und Lebensgrundlage», sagt Professor Pospischil.
Deshalb gehört zu den Aufgaben des neuen Referenzzentrums neben der Diagnose auch Aufklärungsarbeit und die Schulung ausländischer Veterinäre. Als Prophylaxe gibt es Impfstoffe, die einen guten Schutz bieten. «Den Bauern muss bewusst werden, dass ein Abort aufgrund von Chlamydien verursacht sein kann und nur schnelles Handeln grösseres Übel abwendet», sagt Nicole Borel. Der tote Fötus müsse schnell auf den Erreger hin untersucht werden. Denn nur eine frühe Diagnose könne die anderen Tiere schützen.