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Wird in den westlichen Medien über Gewalt im Nahen und Mittleren Osten berichtet, so wird dies häufig mit Bildern von Moscheen illustriert. Damit wird – bewusst oder unbewusst – eine Nähe von Islam und Gewalt suggeriert. Rund die Hälfte der Berichterstattung über den Islam ist mit dem Thema Gewalt kombiniert, erklärte die Islamwissenschaftlerin Sabine Schiffer am Kolloquium «1001 Nachricht – west-östliches Abbilden, Verstehen und Missverstehen in Medien und Politik» am vergangenen Wochenende an der Universität Zürich.
In der Berichterstattung über den Islam dominiert die Auslandsberichterstattung. Themen wie der Irak-Krieg, der Palästina-Konflikt oder der «Krieg gegen den Terror» bestimmen die Schlagzeilen, so Schiffer. Denn aus dem Ausland berichten die Medien vor allem über das Aussergewöhnliche; der Alltag finde in den Medien nicht statt. Dies führe dazu, dass «die neutralen Bilder zum Islam fehlen», konstatierte Schiffer.
Auch «wohlmeinende» Artikel und Berichte geraten dabei unweigerlich in das Raster, das durch diese Berichterstattung gelegt wird. Gerade indem sie das Bild eines gewaltbereiten Islam verneinen, transportieren sie es eben doch auch weiter. Oder wenn aufgezeigt wird, dass Muslime in den westlichen Gesellschaften integriert leben, dann wird unterschwellig auch mitgeteilt, dass dies extra erwähnt werden muss, weil es nicht selbstverständlich ist.
In der Berichterstattung über den Islam in Europa herrschen ebenfalls globale Themen vor, wie die englische Islamwissenschaftlerin Elizabeth Poole anhand einer Analyse der britischen Medien aufzeigte. Zwar nahm die Berichterstattung über den Islam in den beiden untersuchten Blättern, der konservativen «Times» und dem liberalen «Guardian» mengenmässig seit 2001 zu. Doch die Blickpunkte, unter denen der Islam betrachtet wird, verengen sich auf wenige bestimmende Themen. Sowohl im liberalen wie im konservativen Blatt beherrschen Terrorismus, internationale Politik und der Irak-Krieg die Berichterstattung über Muslime in Grossbritannien. Und dies, so Poole, unabhängig von der allgemeinen Ausrichtung der Blätter.
Als ein Gegenbeispiel, nämlich wie westliche Politik aus östlicher, islamischer Sicht wahrgenommen wird, deutete der Zürcher Islamwissenschaftler Urs Gösken den Brief des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad an US-Präsident George W. Bush vom Mai dieses Jahres. Auf dem Höhepunkt des Streits um das iranische Atomprogramm geschrieben, ist der Brief nicht ein konkreter Vorschlag zur Lösung des Konflikts, sondern eine Antwort aus iranischer Sicht auf die Politik der USA.
Ahmadinedschad hat dabei als Adressaten nicht nur den genannten George W. Bush im Auge, sondern ebenso sehr – wenn nicht sogar mehr – die Öffentlichkeit in seinem Land und in der arabischen Welt. Indem er in der öffentlichen Meinung verbreitete Ansichten aufnimmt (etwa dass Iran, wie andere Länder auch, das Recht hat, Atomenergie friedlich zu nutzen, oder dass der Einmarsch in den Irak anderen als den deklarierten Zielen Demokratie und Frieden diente), sucht Ahmadinedschad die Zustimmung für seine Haltung vor allem innerhalb des Landes.
Wie können aber die Erkenntnisse aus der Wissenschaft in die journalistische Praxis eingebracht werden? Das interessierte die zahlreichen Medienschaffenden im Publikum. Medienschaffende sollten sich vermehrt der Problematik bewusst sein, erklärte beispielsweise Sabine Schiffer, und sich auch als Akteure im Kommunikationsprozess zwischen dem Westen und dem Islam verstehen. Denn durch die Auswahl der Themen, dadurch, wie Themen benannt werden, nehmen die Medien Einfluss, wie die jeweils andere Welt wahrgenommen wird. Journalisten sollten dies verstärkt ausnutzen, um auch andere Bilder zu transportieren, welche die ganze Breite des Lebens und der Kultur aufzeigten, so Schiffer.