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Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, ist er müde und ausgepowert. Er kann nicht abschalten und denkt nur daran, was alles noch zu tun ist. Nachts träumt er von seinen To-do-Listen. Dies sind Anzeichen eines Burn-out-Syndroms, wie es bei immer mehr Menschen anzutreffen ist. «Gerade die engagierten Mitarbeiter, die sich einsetzen und viel leisten, werden krank», sagte der Badener Arbeitsmediziner Dieter Kissling auf dem Symposium der Psychiatrischen Universitätsklinik zum Thema Burn-out am vergangenen Donnerstag.
Burn-out Betroffene leiden unter körperlicher und seelischer Erschöpfung. Ein Zustand, der sich nicht schlagartig, sondern schleichend einstellt, meist als Folge einer länger andauernden Überforderung. Seit Politiker und Sportler sich zu ihrem Burn-out öffentlich bekannt haben, ist das Phänomen enttabuisiert. Burn-out hat sich schnell als Begriff der alltagspsychologischen Konversation verbreitet. Viele Patienten kämen schon mit der Selbstdiagnose Burn-out in die Praxis, sagte Professor Wulf Rössler von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Werden in der Burn-out-Diskussion Phänomene, die früher als natürlich galten, klinisch definiert? Die Belastungen am Arbeitsplatz hätten in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren messbar zugenommen, erläuterte der Arbeitsmediziner Dieter Kissling. Insofern spiegle die Pathologisierung auch ein Stück weit die Veränderung der gesellschaftlichen Realität wieder. Und in Zukunft werde sich die Situation am Arbeitsplatz durch Flexibilisierung und Fragmentierung noch mehr verschärfen. Das stelle neue Anforderungen an die Arbeitnehmer; der Umgang mit Stress werde zu einer Kernkompetenz. Unter diesen Bedingungen seien jedoch auch Führungskräfte sowie Personalverantwortliche in Unternehmen gefordert. Sie müssten für Burn-out-Phänomene sensibilisiert werden und zusätzlichen Stress durch falsche Führung vermeiden.
Für den Arzt oder die Ärztin sei es jedoch nicht einfach, ein Burn-out-Syndrom von anderen Krankheiten zu unterscheiden, sagte der Hamburger Burn-out-Spezialist Matthias Burisch. Überschneidungen mit Persönlichkeitsstörungen, Depressionen oder Angsterkrankungen machen eine gezielte Diagnose schwierig. Der Begriff Burn-out beinhalte mindestens 130 Symptome. Psychosomatische Beschwerden etwa, wie Schlafstörungen, Herzprobleme oder Tinnitus treten auch bei anderen Krankheiten auf. Eindeutige medizinische Kriterien für ein «reines» Burn-out könne man nicht benennen, so Burisch.
Burn-out ist durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet: emotionale Erschöpfung, den Abfall der Leistungsfähigkeit und das Auftreten von Entfremdungsgefühlen bei der Arbeit. Das heisst, man geht nicht mehr mit Freude an die Arbeit, sondern distanziert sich innerlich. Insofern drücke der Begriff Burn-out also vor allem eine veränderte Wahrnehmung der Arbeitswelt aus, sagte der Genfer Psychiater Norman Satorius. Sich für die Arbeit aufzuopfern, habe viel mit unserer Kultur, unserem Menschenbild zu tun, meinte Satorius.
Was ist zu tun, wenn es zu einem Burn-out gekommen ist? Barbara Hochstrasser, Chefärztin einer Privatklinik in Meiringen, berichtete von ihrer Erfahrung im Umgang mit Burn-out Patienten. Ihre Patienten müssten lernen, sich selbst zu beobachten und beispielsweise ein Stresstagebuch führen. Ein Ziel sei es, die Freude an der beruflichen Tätigkeit (wieder) zu entdecken. Die Therapiearbeit werde geleitet von den sechs E’s: Entlasten, Erklären, Entspannen, Erarbeiten, Ermahnen und Ermutigen. Wichtig sei zudem ein gesunder Lebensstil: mindestes eine halbe Stunde Bewegung pro Tag gehöre dazu.
Kehrt der oder die Burn-out-Patient/in zurück an den Arbeitsplatz, muss er oder sie sich dem Arbeitsleben wieder stellen. Wie Bettina Bärtsch von der Psychiatrischen Universitätsklinik aufzeigte, ist es kontraproduktiv, Burn-out-Patient/innen lange Zeit krank zu schreiben. Je länger ein Patient oder eine Patientin krank zu Hause bleibe, um so grösser werde die Angst, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen und dabei zu versagen. Gemäss einer Studie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich sei es sogar möglich, Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung wieder in der Wirtschaft einzugliedern, wenn sie dabei professionell unterstützt würden. Auch für Burn-out-Patienten sei der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben unter professioneller Begleitung so früh wie möglich anzustreben. Mit dem Job-Coaching-Konzept an der Psychiatrischen Universitätsklinik habe man bisher gute Erfahrungen gemacht.
Der Arbeitsmediziner Kissling forderte die anwesenden Ärzte auf, die geschützten vier Praxiswände zu verlassen und in die Unternehmen zu gehen, um ihre Patienten vor Ort zu betreuen.
Dass Psychiater selber besonders vom Burn-out bedroht seien, stimme nicht, führte Beate Schulze von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich aus. Beate Schulze hat mit dem Zürcher Empowerment-Programm entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Sie konnte nachweisen, dass nicht primär emotionale Belastungen für ein Burn-out verantwortlich seien. Vielmehr sei Burn-out zu einem Berufsrisiko in allen Branchen geworden, da sich die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen zunehmend anglichen.