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Der Handel über das Internet nimmt auch in der Schweiz weiter zu, wie neue Marktforschungen zeigen. Zu den beliebtesten E-Commerce-Webseiten gehören solche von Internet-Auktionshäusern wie eBay und Ricardo. «Das Internet hat zu einer wahren Wiedergeburt der Auktion geführt», sagt Martin Blättler, der in seiner Dissertation «Versteigerungen über das Internet – Rechtsprobleme aus Sicht der Schweiz» Internet-Auktionen aus juristischer Sicht betrachtet hat.
Klassische Auktionen waren bisher vor allem für den Verkauf von Luxusgütern oder für die Durchführung von Zwangsliquidationen bekannt. Auf den Online-Plattformen gibt es heute demgegenüber kaum etwas, das nicht zur Versteigerung angeboten wird. Martin Blättler kaufte bei seiner ersten Online-Versteigerung afrikanische Masken. Als gelegentlicher Nutzer und gleichzeitig auf der Suche nach einem Thema für die Dissertation, stellte er sich eines Tages die Frage: Braucht es zur Durchführung von Auktionen im Internet eine spezielle gesetzliche Regelung oder genügt das bestehende Recht?
In seiner Dissertation untersuchte er deshalb, welche Unterschiede zwischen herkömmlichen Versteigerungen und solchen im Internet bestehen, ob diese Unterscheide rechtlich bedeutend sind und - falls ja - wie sie juristisch gelöst werden können.
Zu regeln gilt es grundsätzlich ein Dreiecksverhältnis zwischen dem Anbieter einer Versteigerung wie etwa eBay sowie den effektiven Nutzern, genannt Veräusserer und Bieter. Blättler hat in seiner Forschung zwischen herkömmlichen Auktionen und solchen im Internet durchaus erhebliche Unterschiede festgestellt. So sind Internet-Versteigerungen permanent stattfindende Massenveranstaltungen, bei welchen der Hammer schlagende Auktionator durch eine Software ersetzt ist, die Produkte in der Regel nicht vorgängig besichtigt werden können und die Teilnehmenden über die ganze Welt verstreut sind.
Gerade der Auktionator übernimmt bei klassischen Auktionen eine wichtige Rolle, weil er die angebotene Ware prüft und für die Qualitätssicherung verantwortlich ist. Im Internet hingegen können Versteigerungen zum Beispiel missbraucht werden, um anonym Diebesgut zu verkaufen. Heikel können aber auch andere angebotenen Produkte sein. In den USA wurden schon Eizellen, Sperma und die Jungfräulichkeit eines Mädchens versteigert.
In der Schweiz wäre dies unmöglich, da ein entsprechender Vertrag wegen Verstosses gegen die Sitten als nichtig betrachtet würde. Der Veranstalter einer Auktion ist entsprechend verpflichtet, seine Plattform auf illegale Angebote zu prüfen - eine Aufgabe, die heute zunehmend von einer geeigneten Software übernommen wird.
Missbräuche verhindern sollen auch «Allgemeine Geschäftsbedingungen», die heute bei Auktionen im Internet ebenso üblich sind wie bei anderen Kaufverträgen. Den Geschäftsbedingungen kommt eine besondere Bedeutung zu, da der grösste Teil des Versteigerungsrechts in der Schweiz «dispositiver Natur» ist: Abgesehen beispielsweise von Vertössen gegen die Sittlichkeit kommt das Recht nur zur Anwendung, wenn die Beteiligten keine anderweitigen Abmachungen getroffen haben.
Entsprechend können die Anbieter von Versteigerungen einiges dazu beitragen, dass sich ihre Kunden sicher fühlen. Zu solchen Massnahmen gehören neben den Geschäftsbedingungen weitere nicht-juristische Massnahmen wie Ratings, in denen Versteigerer wie Bieter ihre Gegenpartei etwa bezüglich der Qualität des Produkts oder der Zahlungsmoral bewerten können.
Trotz der erwähnten Unterschiede zwischen herkömmlichen und Online-Versteigerungen kam Blättler in seiner Dissertation zum Schluss, dass Versteigerungen über das Internet keine grundsätzlich neuen Rechtsprobleme aufwerfen. Der internationale Handel von Waren und Dienstleistungen über elektronische Kanäle habe die Rechtsprechung schon vor Jahren mit dem E-Commerce konfrontiert. Dies habe dazu geführt, dass das geltende Recht entsprechend weiterentwickelt wird.
So ist etwa nach Abschluss seiner Dissertation das «Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES)» per Januar 2005 in Kraft getreten. Dadurch wird die qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen gleichgestellt, was erheblich zur Förderung des E-Commerce beiträgt.
Die Vorarbeiten zu einem eigentlichen «Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr» hat der Bundesrat im Dezember 2005 allerdings gestoppt. Das Gesetz hätte unter anderem den Konsumentenschutz verbessert, indem es für elektronisch abgeschlossene Verträge ein Widerrufsrecht eingeführt hätte. Diesen Nachvollzug von EU-Recht erachtete der Bundesrat als unnötig, denn im Gegensatz zu Haustürgeschäften könne beim E-Commerce nicht von einer «Überrumpelung» des Kunden gesprochen werden.
Dass die Schweizerische Gesetzgebung bezüglich Internet-spezifischer Normen «eher zurückhaltend» ist, wie es in der Dissertation heisst, ist somit auch heute noch zutreffend. Eine eigentliche E-Commerce-Gesetzgebung erachtet allerdings auch Blättler nicht als nötig, denn das geltende Recht sei durchaus genügend.