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Der Factiva Content Intelligence Award wird vom Nachrichten- und Wirtschaftsinformationen-Anbieter Factiva an Autoren von Doktorarbeiten im deutschsprachigen Raum vergeben, die «Themen zu Informationsprozessen in Unternehmen aufgreifen und richtungweisende sowie praxisrelevante Lösungsansätze entwickeln». Das trifft auf Mark Eisenegger und sein Team durchaus zu. Seit 1998 widmet sich die 20-köpfige Forschergruppe den Mechanismen, wie ein guter Ruf entsteht und zerfällt. Eiseneggers Ansatz ist dabei ein soziologischer und nicht – wie sonst meist üblich – ein ökonomischer.
Als Forschungspartner (und langjährige Auftraggeber) konnte das Team um Mark Eisenegger die Grossbank UBS und das Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gewinnen. Wie hat sich deren Ruf in den wichtigsten nationalen und internationalen Medien entwickelt? – Das beobachtet das Team seither kontinuierlich. Für die UBS hat es mittlerweile über 30'000 Artikel systematisch analysiert. Dreimonatlich informiert es seine beiden wichtigsten Forschungspartner über deren Ansehen in den Medien und welche Themen gerade im öffentlichen Interesse obenauf schwingen (Issues Monitoring).
Die Arena, in der Reputationen aufgebaut und demontiert werden, sind jene Medien, die Themen «setzen» können, ist Eisenegger überzeugt. Diese Leitmedien werden auch von den Meinungsführern konsultiert und formen deren Weltbild und die öffentliche Meinung mit. Ganz vorne spielt da etwa das Schweizer Fernsehen mit (vor allem «10 vor 10» und die «Tagesschau»), aber auch die NZZ, «Bilanz» und die WoZ können Themen setzen, an denen die anderen nicht vorbeikommen. Die linke WoZ beeinflusste die öffentliche Meinung beispielsweise zu den nachrichtenlosen Vermögen (und danach zum Apartheid-Regime in Südafrika). Deshalb wird sie trotz kleiner Auflage beim Issues Monitoring des fög mit berücksichtigt.
«Die Wichtigkeit eines Mediums bemisst sich für uns über seine Potenz, ein Thema zu setzen, nicht nach seiner Auflage», erklärt Mark Eisenegger. Bei den Auftraggebern muss dafür bisweilen erst Verständnis geschaffen werden. Rund zwanzig Schweizer Leitmedien und je nach Forschungsprojekt bis zu 50 internationale Medien («Financial Times», «Harald Tribune», «Wall Street Journal», «Spiegel» etc.) durchleuchtet Eiseneggers Team.
Sobald ein Thema – von Alternativmedizin bis Vogelgrippe – von mehr als drei Leitmedien behandelt wird, kann man davon ausgehen, dass es bis in die Lokalpresse aufgegriffen und so zu einem gesellschaftlichen Thema wird. In den achtziger Jahren war das Waldsterben solch ein Ereignis, an dem niemand, kein Politiker und keine Wirtschaftskraft, vorbei kam, ohne seinen Ruf zu gefährden. Heute ist die «Moral» in aller Leute Mund. Good citizenship, Corporate Government und Social Responsibility sind Stichworte, die in diesem Zusammenhang häufig gebraucht werden. Das fög möchte auch untersuchen, wie sich solche «Kommunikationsereignisse» in den Medien ausbreiten und verändern, um herauszufinden, «nach welchen Logiken die Medien die Welt beobachten».
Wie die vielen tausend Artikel analysiert werden, ist eine fög-Weiterentwicklung bestehender soziologischer Auswertungsmethoden. «Wir versuchen das Bild einzufangen, das bei einer durchschnittlichen Leserin nach dem Lesen eines Artikels hängen bleibt», erklärt Mark Eisenegger. Diese «individuelle» Reputationsanalyse für ein Unternehmen oder eine Organisation verbindet das Team mit dem Issues Montoring, also mit den «heissen Themen», die in der Gesellschaft gerade wichtig sind.
Diese Verknüpfung ist zentral und unterscheidet die fög-Reputationsanalyse von anderen Anbietern (sie ist aber auch kostenintensiv). «Die Reputation eines Unternehmens lässt sich nicht von den aktuellen Themen einer Zeit loslösen», sagt Eisenegger, «zum Beispiel die nachrichtenlosen Vermögen: die Diskussion darüber hat den Ruf der heutigen Grossbanken stark beeinflusst.»
Obwohl das fög zu 80 Prozent mit Drittmitteln (lies: Forschungspartnerschaften mit finanzkräftigen Organisationen wie UBS und VBS, welche die Grundlagenforschung «querfinanzieren») die hohen IT-Kosten und die Mitarbeiterlöhne bezahlt, versteht es sich als nichtkommerzielle, unabhängige, universitäre Einrichtung.
Wichtig ist Mark Eisenegger als Leiter des fög-Bereichs «Reputationsanalytik und Früherkennung» auch, dass seine Analysen etwas bewirken. «Man kann nicht jahrelang den Ruf einer Organisation untersuchen und der verschlechtert sich zusehends», weiss Eisenegger, «das schädigt schnell die eigene Reputation.» Deshalb liegt seinem Team daran, dass seine Hauptforschungspartner ihre Reputation ausbauen können. Die UBS hat das geschafft, nicht zuletzt weil sie sich auf ihr Kerngeschäft verlegte und grosse Gewinne erwirtschaftete, aber auch weil sie sich erfolgreich von der skandalgeschüttelten Konkurrentin Credit Suisse absetzen konnte.
Beim VBS sieht die Bilanz verhaltener aus; seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist die Sicherheitspolitik allgemein stark angeschlagen; das VBS muss eine Armeereform durchsetzen, die auf Einschätzungen von vor 9/11 basiert; es steht unter grossem Reformdruck aus allen politischen Lagern und hat gleichzeitig die Unterstützung der bisherigen bürgerlichen Bündnispartner weitgehend verloren. «Gemessen an diesem schwierigen Stand verläuft die Reputationskurve des VBS zufrieden stellend», findet Eisenegger.