Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

 

In 12 von 13 Fällen keine Tierschändung

Mehr als vierzig Tierschändungen seien seit Juni 2005 in der Nordwestschweiz vorgefallen, konnte man in den Medien lesen. Professor Andreas Pospischil vom Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich hat mit seinem Team 13 Fälle mit Verdacht auf Tierschändung genau untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass nur in einem der untersuchten Fälle eventuell Tierschändung vorliegen könnte.
Interview: Brigitte Blöchlinger

Kategorien

Der Veterinärpathologe Professor Andreas Pospischil und sein Team untersuchten 13 Tierkadaver, bei denen Verdacht auf Tierschändung vorlag.

Herr Professor Pospischil, seit wann beschäftigen Sie sich mit den aktuellen Verdachtsfällen von Tierschändung?

Andreas Pospischil: Mitte August 2005 wurde das Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich in die Untersuchungen mit einbezogen. Bisher haben wir 13 Fälle aus verschiedenen Kantonen mit dem Verdacht auf Tierschändung untersucht. Bei den betroffenen Tieren handelt es sich um Rinder, Schafe, Ziegen und Katzen, welche die Polizei und oder Tierbesitzer zur Untersuchung einlieferten.

Weshalb kamen die Tiere ans Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich?

Wir hatten die Ursache der Verletzungen zu ermitteln. Bei Tieren, die tot aufgefunden wurden, mussten wir herausfinden, ob der Tod im Zusammenhang mit der Verletzung eingetreten ist oder ob die Verletzungen nach dem Tode entstanden sind und – als drittes – auf welche Weise die Verletzungen entstanden sein könnten. Dazu obduzieren wir die Tierkörper. Wir dokumentieren die Veränderungen und untersuchen veränderte Teile weiter. Wundränder und abgetrennte Körperteile werden mikroskopisch beurteilt. Dank dieser gründlichen Untersuchung ist es in der Mehrzahl der Fälle möglich gewesen, die Art des Entstehens einer Verletzung zu bestimmen und herauszufinden, ob die Verletzung während des Lebens oder nach dem Tode zugefügt wurde.

Zu welchen Resultaten kamen Sie?

In 6 von 13 Fällen wurde bei den untersuchten Tieren eine Erkrankung festgestellt, die den Tod des Tieres verursachte, zum Beispiel eine übergangene Geburt oder eine Verdrehung der Gebärmutter, eine Hirnhautentzündung, dann auch eine fehlende Milchaufnahme nach der Geburt oder eine Harnvergiftung, weil die Harnröhre mit Harnsteinen verstopft war. In 2 weiteren Fällen lagen Bissverletzungen vor, die auf Grund der Art der Einbisse von Füchsen stammen. Bei den verbleibenden Fällen handelt es sich um abgetrennte Zitzen und Schwänze von Rindern. Nach dem Tod der Tiere wurde ein Teil dieser Tierkörper von Wildtieren angefressen.

Welche Tiere tun so etwas?

Füchse, Dachse, Marder, Hunde, Raben- und Greifvögel. Von Jägern wird auch berichtet, dass Wildschweine in der Lage wären, derartige Veränderungen hervorzurufen.

Fanden Sie keine Schnittwunden oder andere, von Menschen zugefügte Verletzungen?

Die Verletzungen, die diese Tiere hatten, wiesen an den Wundrändern keine Blutungen auf. Zum Teil fanden sich Bissspuren. Auffällig war, dass die Mehrzahl der Verletzungen an Körperteilen zu finden war, die keinen knöchernen Untergrund aufweisen. Damit ist es als erwiesen zu erachten, dass diese Tiere nach dem Tod von Wildtieren angefressen wurden.

Und was ist mit den abgetrennten Zitzen?

Verletzte und abgetrennte Euterzitzen und Schwänze bei Rindern kommen sowohl bei Milchkühen als auch bei Mastrindern unter verschiedenen Haltungssystemen von Rindern nicht selten zustande (Lauf-, Anbindestall; mit / ohne Einstreu). Eine weitere wichtige Rolle spielen die Klauenpflege bei den Tieren sowie die Bodenverhältnisse im Stall..

Dann geht kein Tierschänder um?

Wahrscheinlich nicht. Nur in einem der untersuchten Fälle ergaben sich Hinweise darauf, dass einem Kalb  – wohlgemerkt erst nach dem Tode – Schnittverletzungen zugefügt wurden. Bei den anderen 12 Fällen kann man Tierschändung aufgrund der Obduktion ausschliessen.

Wie kam es Ihrer Ansicht nach zur Fehldiagnose «Tierschändung»?

Unsere langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass Tierschändung ein eher seltenes Ereignis ist. Verifizieren beziehungsweise falsifizieren kann man einen Verdacht auf «Tierschändung» nur, wenn die betroffenen Tiere fachgerecht untersucht werden. In der Schweiz gibt es neben dem Institut für Veterinärpathologie an der Universität Zürich und dem Institut für Tierpathologie der Universität Bern auch noch kantonale Institute in Chur, Lausanne und St. Gallen, die in der Lage sind, derartige Untersuchungen durchzuführen. Offensichtlich wurden die toten Tiere nicht von einer dieser Stellen untersucht, bevor die Meldungen «Tierschändung» zu zirkulieren begannen.

Weiterführende Informationen