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«Finance»,«Nanotechnologie»,«Neurowissenschaft»,«genetische Medizin»,«Rechtswissenschaft»: eine kurze Auflistung der Fachbereiche aus dem Programm der Tagung «Zukunftsperspektiven der Ethik» vom vergangenen Freitag zeigt bereits auf, dass Fragen der Ethik die Wissenschaftler in vielen Disziplinen beschäftigen. Anlass der Tagung war das zehnjährige Bestehen des Ethik-Zentrums, das als Kompetenzzentrum einerseits Forschung und Lehre im Bereich Ethik betreibt, andererseits aber auch Universität und Wissenschaften in der ethischen Meinungsbildung unterstützt.
Zugleich war die Tagung der Startschuss für den neuen Universitären Forschungsschwerpunkt Ethik, mit dem die Universität Zürich die Forschung in diesem Bereich noch stärker fördern will. «Wir wollen als Ethikerinnen und Ethiker lernen, wie die Fachleute die Entwicklungen empirischer Forschung und entsprechende Fragen der Ethik in ihren jeweiligen Wissenschaften einschätzen», sagte Tagungsleiter PD Dr. Markus Huppenbauer, Geschäftsführer des UFSP. Deshalb kämen an der Tagung nicht Ethiker zu Wort, sondern eben Wissenschaftler aus anderen Fachbereichen. Nicht zuletzt diene die Tagung auch dazu, dass die Ethikerinnen und Ethiker zukunftsgerichtet Fragestellungen entwickeln könnten. «Wir möchten in der Ethik nicht nur auf Probleme reagieren müssen», so Huppenbauer.
Das menschliche Gehirn ist ein Forschungsobjekt, das in jüngerer Zeit Naturwissenschaftler und Mediziner immer mehr den Philosophen streitig machen. Dabei prallen die unterschiedlichen Überzeugungen manchmal hart aufeinander. Der Mediziner Prof. Dr. med. Daniel Jeanmonod, leitender Arzt an der neurochirurgischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, zeigte in seinem Beitrag die neuen Möglichkeiten invasiver und nicht invasiver Behandlung von chronischen Hirnfunktionsstörungen, wie etwa neurogene Schmerzen, Tinnitus, Parkinson oder Epilepsie auf.
Moderne chirurgische Techniken erlauben es, sehr gezielt einzelne Zellen auszuschalten die durch das konstante Aussenden «sinnloser» Impulse für die Funktionsstörungen verantwortlich sind. Künftig können solche Operationen sogar mittels millimetergenau fokussierten Ultraschallwellen durchgeführt werden, ohne dass der Schädel des Patienten geöffnet werden muss. Dadurch werden die Risiken eines Eingriffes im Kopf stark reduziert, wie Jeanmonod erläuterte.
Genau an diesem Punkt setzten die kritischen Fragen aus dem Publikum an: Sinkt durch das vergleichsweise risikoarme und günstige Verfahren nicht die Hemmschwelle, mechanischen Eingriffen ins Gehirn gegenüber einer psychotherapeutischen Behandlung den Vorzug zu geben? «Wenn die Chirurgen einen Hammer haben, sieht plötzlich alles wie ein Nagel aus», nahm Jeanmonod diese Befürchtungen mit einem Bonmot auf. Damit dies nicht geschehe, müssten klare Regeln für die Eingriffe aufgestellt werden, erklärte Jeanmonod. So sollten sie nur bei chronischen Fällen als letzte Möglichkeit zum Einsatz kommen, wenn die psychotherapeutische Behandlung keinen Erfolg zeigte. Nur weil die Risiken sänken, dürfe die Hemmschwelle für solche Eingriffe, die nach wie vor grosse Eingriffe seien, nicht sinken, so Jeanmonod.
Zudem mache das Verfahren nur in einem ganzheitlichen Ansatz Sinn, betonte Jeanmonod. «Der Geist ist stärker als der Chirurg, und das ist gut so». Ziel des Eingriffes sei die Widerherstellung des Gleichgewichtes im Gehirn. Dies können nur mit begleitender psychotherapeutischer Behandlung erreicht werden. Anhand eines Fallbeispiels zeigte er auf, dass der chirurgische Eingriff zwar die Funktionsstörung behob, die aber durch eine andere abgelöst wurde, welche dann mit Psychotherapie behandelt werden konnte.
Befürchtungen, dass mit den neuen Techniken Instrumente zur Willensmanipulation oder Persönlichkeitsveränderung geschaffen würden, hielt Jeanmonod die starke Verfeinerung des Verfahrens entgegen, welche sehr gezielte, auf eine spezielle Funktionsstörung gerichtete Eingriffe ermögliche. «Wir können nicht die Persönlichkeit verändern», sagte Jeanmonod, «wir geben nur dem System mehr Ruhe». Er erinnerte daran, dass es – etwa durch Psychopharmaka – viel gröbere Methoden gebe, die Persönlichkeit von Menschen zu beeinflussen.
Die engagierten Diskussionen an der Tagung zeigten, dass in Fragen der Ethik das System der Wissenschaften kaum zur Ruhe kommen wird. Mit der Schaffung des UFSP Ethik verstärkt die Universität die Diskussion und Reflexion über ethische Fragen. Mit einem Graduiertenkolleg sollen zudem ab 2007 interdisziplinäre Forschungsprojekte gefördert werden. Geplant sind laut Huppenbauer Stellen für 16 Stipendiateninnen und Stipendianten, die im Bereich der Ethik promovieren oder habilitieren. Das besondere daran ist, dass es sich primär um Nachwuchsforschende nicht aus den Disziplinen Philosophie und Theologie handelt, weil der UFSP ethische Fragestellungen aufnehmen will, die innerhalb bestimmter wissenschaftlicher Disziplinen entstehen. Vorgesehen sind vorerst Medizin, Biologie, Umwelt-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften.