Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Psychische Auswirkungen der Tsunami-Katastrophe

Seit Februar stellt das Fachzentrum für Katastrophen- und Wehrpsychiatrie der Universität Zürich (FZKWP) einen Online-Fragebogen zur Tsunami-Katastrophe zur Verfügung. Er erlaubt direkt und indirekt Betroffenen eine grobe Einschätzung der eigenen psychischen Gesundheit. Wie eine erste Auswertung der Fragebogen zeigt, ist bei knapp zwei Dritteln der Teilnehmenden eine weitere Abklärung der psychischen Auswirkungen der Katastrophe angezeigt. Für Stefan Vetter, Leiter des FZKWP, belegen die Resultate Nutzen und Notwendigkeit von anonymen Online-Selbsttests.
Theo von Däniken

Insgesamt registrierten sich innerhalb eines Monats 3'101 Personen für den Test; der nun vorliegenden Auswertung liegen 2'441 vollständige Testergebnisse zu Grunde. Die hohe Beteiligung weckt bei Vetter zwiespältige Gefühle: «Als Wissenschaftler freut es mich, dass wir eine so gute Durchdringung der Bevölkerung erreicht haben.» Als Arzt hingegen sei er erstaunt, dass so viele Menschen den Test nutzen mussten. «Ich hätte mir weniger gewünscht», so Vetter.

Bei 61,2 Prozent der Teilnehmenden ergab der Test, dass weitere Abklärungen sinnvoll wären

Dass bei mehr als 60 Prozent der Teilnehmenden weitere Abklärungen angezeigt sind, deutet Vetter als Hinweis darauf, dass sich vor allem Personen beteiligten, die durch die Ereignisse bereits eine «emotionale Veränderung gespürt haben». Der Online-Test richtet sich sowohl an direkt Betroffene, wie auch an Menschen, die durch die Medien von den Ereignissen stark emotionalisiert wurden. «Etwa ein Sechstel der Personen, die den Test ausfüllten, haben die Katastrophe direkt miterlebt», sagte Vetter. Bei rund 40 Prozent habe es einen direkten Zusammenhang mit der Katastrophe gegeben.

«Aus Rückmeldungen haben wir auch den Eindruck, dass die Medienbilder und die Berichterstattung bei vielen Menschen andere Traumen reaktiviert haben.» Zum Beispiel sei bei einer Frau durch die Tsunami-Katastrophe die Erinnerung an ein Erdbeben vor einigen Jahren wieder geweckt worden. Diese Zusammenhänge seien aber in der Studie nicht wissenschaftlich erhoben worden.

Online-Test als Instrument zur Früherkennung

Die Resultate zeigen, dass anonyme Online-Tests sich in der Früherkennung von Katastrophen-Folgen bewährenkönnte,wie Vetter erklärt. Das Medium Internet als ein niederschwelliges Angebot trage dazu bei, dass Menschen eher bereit seien, die weitere Abklärungsnotwendigkeit zu testen. «Es braucht niederschwellige Angebote, damit die Betroffenen an die höherschwelligen Angebote wie Beratungen weitergewiesen werden können», ist Vetter überzeugt.

Dass der Test auch als Einstiegshilfe für weitere Abklärungen auch ernst genommen wird, zeigen die vielen Anrufe beim FZKWP. «Täglich melden sich etwa drei bis vier Personen, die aufgrund des Tests bei uns Beratung suchen» so Vetter.

Ein Online-Selbsttest kann ein wichtiges Instrument bei der Behandlung von Katastrophen-Traumen sein, weil er bereits in einer sehr frühen Phase zu weiteren Abklärungen führen kann. Bei Früherkennung kann nämlich häufig bereits mit einer Kurztherapie eine vollständige Genesung erreicht werden. Dies nützt nicht nur dem Betroffenen, sondern hilft auch, die Therapiekosten gering zu halten. Zudem ermöglicht es eine schnelle Wiederaufnahme der Arbeit, was geringere volkswirtschaftliche Kosten zur Folge hat.

Für Vetter ist der Test deshalb ein Modell, für das er sich weitere Anwendungsbereiche vorstellen kann. Zwar könne derselbe Test nicht für andere Katastrophen eingesetzt werden; Teile daraus seien jedoch wieder verwendbar, andere müssten angepasst werden, was mit verhältnismässig kleinem Aufwand möglich sei.«Wichtig ist auch, dass wir die technische Plattform nun zur Verfügung haben und einen angepassten Test innert Stunden online schalten können», erklärt Vetter.

Theo von Däniken ist Redaktor von unipublic