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Gewaltpräventionsstudie

Soziale Kompetenz statt Gewalt bei Erstklässlern

Wann und warum ist jemand traurig oder schlägt jemanden? Diese und andere Fragen des sozialen Miteinanders stehen für rund 1700 Erstklässler in Zürich auf dem Stundenplan. Sie sind an einem gross angelegten Gewaltpräventionsprojekt der Universität Zürich und der Stadt Zürich beteiligt, welches die Sozialkompetenz und das soziale Umfeld von Erstklässlern untersucht.
Marita Fuchs

Aggressivität kann bereits in der Kindheit begründet sein. | Szene gestellt

Die Kriminalitätsrate in der Schweiz ist, verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern, niedrig. Allerdings nimmt laut Polizeidaten die Jugendgewalt seit 1990 ständig zu. Das «Zürcher Projekt zur sozialen Entwicklung von Kindern – z-proso» versucht nun mit einem Interventions- und Präventionsprogramm an Schulen, der Gewalt entgegenzuwirken.

Rund 1700 Schulanfängerinnen und -anfänger in der Stadt Zürich wurden mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 angefragt, daran teilzunehmen. Die Kinder und jeweils ein Elternteil werden über drei Jahre hinweg in jährlichem Abstand befragt. Manuel Eisner, Projektleiter von z-proso und Privatdozent an der Universität Zürich, möchte mit dem Projekt das Zusammenspiel von Persönlichkeit, Familie, Nachbarschaft und Schule in Bezug auf das Heranreifen von sozialen Kompetenzen bestimmen. Dazu gehören unter anderem Einfühlungsvermögen, aber auch soziales Problemverhalten, wie zum Beispiel das Stören des Unterrichts.

Aggressivität mit hoher biografischer Kontinuität

Sozialwissenschaftler Eisner, der auch Kriminologie an der Universität Cambridge lehrt, legt grosses Gewicht auf den entwicklungstheoretischen Ansatz: «Gewalttätige Aktionen werden oft mit Jugendlichen assoziiert. Heute weiss man aber, dass gerade Aggressivität eine hohe biografische Kontinuität hat.» Wenn man präventiv wirken wolle, müsse man in der Kindheit ansetzen. Aus diesem Grund seien für die Langzeitstudie primär Erstklässler ausgewählt worden. Wie sich die sozialen Kompetenzen von Kindern und Heranwachsenden entwickeln, hängt von Einflüssen aus verschiedenen Lebensbereichen ab, die miteinander in Wechselwirkung stehen und dabei fördernd oder hemmend wirken können. Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Familie sind etwa eine inkonsistente Erziehung, streng disziplinierende Erziehungspraktiken oder Partnerkonflikte. Diese können, zusammen mit der Persönlichkeit des Kindes, Bedingungen schaffen, die empirisch nachweisbar am ehesten zu späterem Problemverhalten führen. «Am Ende des Projekts», so Eisner, «wollen wir wissen, welche Massnahmen wirklich greifen. Bisher gibt es viele Programme zur Gewaltprävention, aber bei keinem einzigen ist man sicher, ob es wirklich erfolgreich ist.»

Schulstoff: Soziale Fähigkeiten

Parallel zum z-proso läuft das Projekt z-ok, (Zürcher Programm zur Förderung sozialer Kompetenzen an Schulen), in dem konkret mit Kindern und Eltern gearbeitet wird. Roland Zurkirchen vom Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich leitet es. Es bietet Eltern und Erziehungsberechtigten Unterstützung in Kindererziehungs- und Familienfragen an, einerseits durch Förderung der elterlichen Erziehungskompetenzen sowie andrerseits durch ein im schulischen Lehrplan verankertes Programm zur Verbesserung der sozialen Kompetenzen von Schulkindern. Anhand von eigens entwickeltem Lernmaterial sollen die Kinder befähigt werden, besser mit sozialen Konflikten und deren Auswirkungen umzugehen. «Die Kinder sollen mit Gefühlen umgehen lernen. So ist es keine Selbstverständlichkeit, dass sie erkennen, ob und warum ein anderes Kind traurig ist. Einfühlungsvermögen, aber auch die Entwicklung von Selbstkontrolle werden mit diesem Programm geschult», erläutert Eisner. In kurzen Sequenzen von 20 Minuten haben die Erstklässler zwei- bis dreimal wöchentlich die Möglichkeit, über ihre Konflikte zu sprechen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Dies wäre zum Beispiel, Rücksichtnahme auf andere ins eigene Verhaltensrepertoire zu übernehmen.

Mehraufwand zahlt sich später aus

Obwohl der neue Unterricht für die Lehrpersonen einen Mehraufwand bedeutet, sind doch viele von der Notwendigkeit solcher Präventivprogramme überzeugt, weiss Eisner. «Wir haben vor der Studie eine Lehrerbefragung durchgeführt. Viele Lehrer befürworteten schulische Präventionsprogramme auf der Primarschulstufe.»

Erfolgreiche Zwischenbilanz

Seit September 2004 hat das Projektteam zusammen mit 20 Interviewerinnen die Eltern kontaktiert. Ein grosses Anliegen war es, auch bildungsferne und immigrierte Eltern zur Teilnahme zu motivieren. Die Kontakte und Interviews wurden daher in insgesamt neun Sprachen durchgeführt. Inzwischen stehen die Elterninterviews kurz vor dem Abschluss. Es zeichnet sich ab, dass dem Projekt ein grosser Erfolg beschieden sein wird: Über 1200 aller angeschriebenen Eltern – das sind fast 75 Prozent – nehmen teil. Damit wird die Studie gut abgestützte Aussagen über die Wirksamkeit von Massnahmen zur Förderung sozialer Kompetenzen machen können.